Pascal-Mordprozess:Freispruch aus Mangel an Beweisen

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Weil es weder Blut- noch Spermaspuren gibt, wurden alle zwölf Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, den kleinen Pascal sexuell missbraucht und ermordet zu haben. Die Staatsanwaltschaft nannte das Urteil ein "Fiasko" und kündigte Revision an.

Im Mammutprozess um den seit sechs Jahren verschwundenen Pascal hat das Landgericht Saarbrücken alle zwölf Angeklagten aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Nach dreijähriger Verhandlungsdauer sahen es die Richter als nicht erwiesen an, dass der damals Fünfjährige im September 2001 im Hinterzimmer einer Kneipe von mehreren der Angeklagten missbraucht und ermordet wurde. Die Staatsanwaltschaft kündigte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) an.

Vor sechs Jahren spurlos verschwunden: Pascal. (Foto: Foto: ap)

Der Vorsitzende Richter, Ulrich Chudoba, sprach gleichwohl von einem "Grenzfall". "Der Verdacht bleibt, aber auf einen bloßen Verdacht hin darf niemand verurteilt werden", sagte er. "Höchstwahrscheinlich" hätten einige der Hauptangeklagten den kleinen Pascal missbraucht und sogar getötet. Schließlich hätten fünf von ihnen im Kern übereinstimmende Aussagen gemacht.

Kein Blut, kein Sperma, keine Beweise

Es seien aber weder Blut-, Sperma- oder DNS-Beweise, noch kinderpornographische Aufnahmen oder sonstige Spuren gefunden worden. Es gebe auch keine unabhängigen Zeugen. Die Geständnisse und Aussagen seien zudem widersprüchlich und in vielen Punkten widerlegt worden. Es müsse daher im Zweifel für die Angeklagten heißen.

Die Staatsanwaltschaft hatte sich zuvor überzeugt gezeigt, dass Pascal vor sechs Jahren von Kinderschändern in der Tosa-Klause sexuell missbraucht und dabei mit einem Kissen erstickt wurde. Sie forderte Verurteilungen wegen Mordes - auch durch Unterlassen - in Tateinheit mit sexuellem Kindesmissbrauch. Die Verteidiger hielten die Vorwürfe dagegen für nicht bewiesen und hatten Freisprüche beantragt.

Vier Angeklagte hatten in dem Prozess Geständnisse abgelegt beziehungsweise andere belastet, ihre Aussagen aber zurückgezogen und erklärt, die Ermittler hätten sie unter Druck gesetzt und mit suggestiven Fragen zu falschen Angaben gebracht.

Chudoba nahm die Beamten dagegen in Schutz. Ihnen sei kein Vorwurf zu machen. Im Laufe der Verhandlung sei auch dem Gericht klar geworden, dass die teilweise labilen, intellektuell minderbemittelten und alkoholabhängigen Angeklagten kaum im Stande gewesen seien, zusammenhängende Aussagen zu machen.

Freispruch zweiter Klasse

Der Angeklagte Michael C. zeigte sich von dem Freispruch erleichtert. Er nannte es jedoch "unfassbar", dass das Gericht noch immer Zweifel an seiner Unschuld habe. Natürlich hätten die Beamten die Geständnisse in die Beschuldigten "reingefragt". Die vier Frauen und acht Männer würden in der Öffentlichkeit angefeindet. "Das muss mal einer mitgemacht haben, was wir mitmachen", sagte er.

Der gehbehinderten Kneipenwirtin Christa W. habe kürzlich ein Arzt sogar die Behandlung verweigert. Auch mehrere Verteidiger sprachen wegen der bestehenden Zweifel des Gerichts von einem Freispruch zweiter Klasse.

Staatsanwaltschaft nennt Freisprüche "ein Fiasko"

Die Staatsanwaltschaft nannte die Freisprüche dagegen "ein Fiasko". Auch die Deutsche Kinderhilfe reagierte entsetzt auf die Urteile. Es sei ein "schwarzer Tag für kindliche Opfer in deutschen Strafverfahren". Durch Prozessverzögerungen, unsachliche Ausfälle, systematisches Unglaubwürdigmachen eines weiteren Missbrauchsopfers und ein Zurückziehen der eindeutigen Geständnisse der Angeklagten sei das Gericht "regelrecht zermürbt" worden.

Mit dreijähriger Dauer ging damit eines der aufwendigsten Gerichtsverfahren der deutschen Rechtsgeschichte zu Ende. In fast 150 Verhandlungstagen waren nahezu 300 Zeugen vernommen worden.

Pascal verschwand am 30. September 2001 mit seinem Fahrrad in Saarbrücken-Burbach. Er soll mit Süßigkeiten in die nahegelegene Tosa-Klause gelockt und von vier Männern vergewaltigt worden sein. Einer der Täter soll gemeinsam mit der Wirtin der Aushilfe Andrea M. befohlen haben, das schreiende Kind mit einem Kissen ruhigzustellen.

Pascals Leiche wurde nicht gefunden

Andrea M. hatte die Tötung zunächst gestanden, später aber ihre Aussage widerrufen. Für sie hatte Oberstaatsanwalt Josef Pattar eine Haftstrafe von 14 Jahren und neun Monaten gefordert und eine Unterbringung in der Psychiatrie beantragt.

Andrea M. und Dieter S. sollen die Leiche des Kindes in einen blauen Müllsack gelegt und gemeinsam mit der Wirtin zu einer Kiesgrube im nahegelegenen Forbach (Frankreich) gebracht haben. Sie wurde bei den Suchaktionen nicht gefunden.

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