Pariser Mode:So blau wie der Himmel und die Nasen

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Bei den Prêt-à-Porter-Schauen für nächsten Winter konkurrieren die Designer von Dior und Balenciaga um die Führungsrolle.

Von Peter Bäldle

Paris - Mit zwei beeindruckenden Kollektionen, jenen von John Galliano für Dior und von Nicolas Ghesquière für Balenciaga, sind in Paris die Designerschauen für Herbst/Winter 2005/06 gestartet. Damit bewerben sich beide Createure nachdrücklich um den Platz des trendsetzenden Superdesigners, der seit Tom Fords Weggang bei Saint Laurent frei war.

Ein Kreation im türkisen Blau von Stella Cadente. (Foto: Foto: dpa)

Als der Kommerziellere von beiden erweist sich überraschenderweise Diors John Galliano, der diesmal auf das übliche "grand spectacle" verzichtet hat, um des Spagats willen, den Luxusanspruch des Hauses mit alltagstauglicher Mode in Verbindung zu bringen.

Dafür wählte er als Leitmotiv Leonardo DiCaprios Piloten-Look aus dem Erfolgsfilm "The Aviator", was Pattentaschen an Fliegerblousons und Cargo-Hosen zurück in die Mode katapultiert - junge Menschen mochten sowieso nie davon lassen. Nun können sich auch Junggebliebene wieder damit schmücken. Vor allem, wenn chilirotes Krokoleder eidechsengrünen Pannesamt begleitet. Dazu spielten zwei Herren im Frack am Flügel Petula Clarks Uralt-Hit "Down Town", was passte - schließlich hat man bei Dior die Salons verlassen und ist in den Fußgängerzonen angekommen.

Das signalisieren auch minikurze, blockgestreifte Mohairstrickkleider mit hochgeschnürten, flachen, schwarzen Stiefeln und lackglänzender Schlägermütze. Edie Sedgwick, Andy Warhols knabenhafte Muse aus fernen "Factory"-Tagen, dient dafür als role model.

Auch Nicolas Ghesquière hat sich für Balenciaga auf die frühen sechziger Jahre besonnen, als André Courrèges, gelernter Brückenbauingenieur und späterer Mode-Revolutionär, noch Assistent des Hauses war. Mit ihm als Inspiration weist Ghesquière der Mode den Weg in die Zukunft.

Dafür verzichtet er auf allen Dekor und vertraut völlig der Klarlinigkeit des Schnitts, was er mit markanten Kappnähten unterstreicht. Knebelverschlüsse im Duffle-Stil ersetzt er durch Chromschließen. Streifen bilden kaleidoskopische Muster. Blenden an Stoffen mit Stand belegen die neuerwachte Liebe zur Geometrie. Begleiten üppige Grisfuchskragen sandbeigefarbenes oder mintgrünes Tuch, so umrahmen am Abend pastellfarbene Straußenfedern die Décolletés schwarzer Lampionkleider.

Mit Ghesquières Klasse können nur wenige mithalten. Überzeugt Karl Lagerfeld in seiner "Gallery"-Kollektion mit abgeräumten Vorderfronten an Mänteln und Hosenanzügen, wirkt das Allerweltsblau der Jeans, die er für Diesel entwirft und mit vorführen ließ, umso banaler. Auch Jean-Paul Gaultier muss sich Beliebigkeit vorwerfen lassen, wenn er großzügige Trenchblousons über stretchenge Miniröcke zieht, deren Unterröcke schwungvoll die Knie umspielen. Paillettenleggings sorgten für Ablenkung und leicht exotisches Cabaret-Flair.

Umso tapferer schlagen sich die jungen Designer. Sophia Kokoslaki, Shooting-Star aus London und zum zweiten Mal in Paris, fühlt sich der Antike ihrer griechischen Heimat verpflichtet. Sie scheint zwar stets dasselbe Kleid zu drapieren, dies jedoch mit Meisterschaft.

Auch Rick Owens, Amerikaner aus Los Angeles in Paris, schlägt Falten in Jacken aus eher standhaften Materialien. Dadurch entwickeln sie Eigenleben. Mal wirken sie, als würden ihnen Flügel wachsen, mal erinnern sie an pflanzliche Gebilde. Selbstverständlicher sind die kurzen Spenzer und langen, ärmellosen Chasubles aus handschuhweichem Leder, die José Enrique Oña Selfa für das spanische Traditionshaus Loewe mit Pelz besetzt und mit silbernen Pailletenlitzen bestickt. Kleider mit hochgelegter Empiretaille und Röcke mit umgeschlagenem Saum bringen auch für sie die Mode auf den Punkt.

Was hat jedoch der Belgier Dries Van Noten, was andere nicht haben? Es ist die fast traumwandlerische Sicherheit im Zusammenspiel der Formen, das perfekte Timing im Wechsel von Schwarz und Farbe. Dabei sind die Zutaten immer dieselben: eine dreiviertellange Hose oder ein dirndlweiter Rock, eine kurze Jacke in A-Linie oder ein Blazer mit Taillennaht und angesetztem Schößchen. Begnügen sich Hosenanzüge mit weißen Blusen und eingeschwärzten Orchideenzweigen am Revers, so überrascht ein malachitgrüner Mantel über cyclamfarbenen Hosen zum gelben Shirt, das ein zweites, rotes überdeckt.

Und die Handtasche ist blau - wie der eisige Himmel über Paris in diesen Tagen - und die Spürnasen der Trendsetter aus aller Welt.

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