Parfum-Oscar:Propheten der Schönheit

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Die Gesellschaft wird immer älter, will aber immer jünger aussehen, deshalb wird Kosmetik immer wichtiger. Einmal jährlich trifft sich die schöne Branche bei den FiFi-Awards und feiert sich selbst.

Von Rebecca Casati

Auf dem dunklen Teppichboden, zwischen Hostessen und Häppchenträgern, bilden sich Grüppchen - zartfarbig, sich bauschend, von oben aus anzusehen wie ein Seerosenteich, der immer wieder in Wallung gerät. Vom Boden der Tatsachen aus betrachtet geht es um eine Säule der deutschen Volkswirtschaft: die Verleihung des Oscars der Parfümbranche, der Preis der amerikanischen Fragrance Foundation, selbstironisch FiFi genannt.

Schauspielerin Sandra Speichert hat ihren Kopf für die FiFi-Awards hergehalten. (Foto: Foto: AP)

Beautyredakteurinnen, Chefredakteure, Anzeigenleiter, Marketingchefs und Geschäftsführer der großen Kosmetikkonzerne sind angereist. Ihre Arbeit finanziert John Gallianos mehrwöchige Inspirationsreisen durch Indien, Karl Lagerfelds 365 Bettlaken im Jahr, Calvin Kleins Haus in den Hamptons. Und einmal jährlich, beim FiFi, feiert sich die Branche dafür selbst. 600 geladene Gäste haben sich im "Forum", der zentralen Festhalle der Frankfurter Messe eingefunden, um sich, nach einem scannerverdächtigen Blick, mit einem "Gut siehst du aus!" zu begrüßen. Und tatsächlich: Gut sehen sie aus, die Menschen, die sich hauptberuflich mit Schönheit beschäftigen. Hübsch wie die Blumen.

Ohne Kosmetik lüft nichts mehr

Die Kosmetik-Redakteurin - kaum je wird sie irgendwo thematisiert. Es gibt keine Bücher oder Filme oder Fernsehserien über sie. Die Gesellschaft traut ihr offenbar weniger Wirkung zu, als den von ihr propagierten Produkten. Dabei kommt heute kein Magazin mehr ohne sie aus. Die Kosmetik-Redakteurin hat den Part einer modernen Hohepriesterin inne. Und ihr Alltag hat neben allen Annehmlichkeiten etwas Tragikomisches.

Schöner altern

Wenn sie bei einem der großen Frauenmagazine arbeitet, gibt es in ihrem Leben so gut wie jeden Tag Geschenke: Pakete mit Cremes, Parfüms, Schaums, Kuren und Toner, die erprobt und besprochen werden wollen - an einem Abend wie diesem sieht man das Ergebnis: Teints, die selbst bei Neonbeleuchtung strahlen, glänzende Haarspitzen, von Kopf bis Fuß gepflegte Wesen in einer schönen, duftenden Welt. Was diese Frauen Monat für Monat, Woche für Woche empfehlen und formulieren, ist Hoffnung für die Konsumenten und wichtige Geschäftsgrundlage für die Konzerne. Gemeinsam bekämpfen sie wieder und wieder ihren einzigen großen Feind: das Alter. Es ist mehr ein Gegner als ein Feind. Und wenn man es recht bedenkt, ist es eigentlich sogar eine Art Kumpel für diese Frauen - ungeliebt, lästig, aber ständig dabei, denn das Alter liefert ihnen die besten Argumente dafür, warum man Kosmetik und immer neue Kosmetik kaufen sollte.

Ein Ressort mit hohen Wichtigskeitsfaktor

Ihr Ressort wird heute meist "Beauty" genannt. Und meist rutscht die dazugehörige Redakteurin über Umwege oder Ferienjobs während des Studiums "da so rein". Doch nach Jahren der schönen Beschaulichkeit sind sie nun, in der strukturellen Krise der Luxusbranche, plötzlich wichtiges Bindeglied, die Hoffnungsträger von Industrie und Kunden. Plötzlich haben sie eine Schlüsselposition inne, im eifersüchtig umkämpften Anzeigenmarkt wie in der demografischen Gesellschaft, die immer älter wird und immer jünger aussehen will und die in den letzten Jahren eher auf das neue Kleid als auf die vielversprechende Creme oder den betörenden Duft verzichtet hat.

Überall wo die Beauty-Redakteurin Attraktivität lehrt und selber verströmt, ereilt sie die Ironie ihres Schicksals: Immer sind viel zu wenig Herren da, sie zu sehen und zu würdigen. "Heute sind es direkt viele", bemerkt eine Redakteurin beim FiFi mit resigniertem Lächeln; zu viele Blumen, zu wenig Bienen. Und aus diesem Ungleichgewicht entsteht auch hier jener lakonische, etwas verdrießliche Humor, der Menschen über die Protagonistinnen in der Fernsehserie "Sex and the City" lachen lässt.

Gebündelte Interessen

Aber zurück zu den Düften. "Der FiFi gewinnt an Bedeutung, wird immer größer, immer schicker", erzählt Christine Bürg, die das Beauty-Ressort bei Glamour leitet. Tatsächlich spart ein Event wie dieser auch Geld ein. Der FiFi bündelt Interessen, die früher über den ganzen Globus verteilt waren. Eva-Maria Schick, Mode- und Stilchefin von Bunte, erinnert sich an die goldenen achtziger und neunziger Jahre: "Damals wurden wir für drei Tage nach Swasiland geflogen, in goldenen Sänften zu Luxushotels getragen - alles nur für eine 30-minütige Präsentation. Da wurden Yachten in St. Tropez und Flugzeuge gechartert, die die Redakteure zu einer Party bei den Pyramiden flogen, wo Elton John der Stargast war. Das ist heute irgendwie angenehmer; hier sitzt der Marketingchef neben der Redakteurin in der vorletzten Reihe, und keinen stört's."

Chefs kommen mit

Bemerkenswert sei auch, dass sämtliche Chefredakteure der großen Magazine angereist sind: Klaus Dahm von Petra, Andreas Möller von Allegra, Bettina Wündrich von Glamour, Reinhard Haas von GQ, Patricia Riekel von Bunte, Kathrin Riebartsch von Madame, Christine Ellinghaus von Für Sie, Andreas Lebert von Brigitte, Andreas Petzold vom Stern: "Das habe ich noch nie erlebt bei einer von der Industrie gesponserten Veranstaltung, einem Branchentreff."

Die Nominierung der Düfte verläuft nicht weniger mühsam als die diesjährige Aufstellung der Bundespräsidentschaftskandidaten. An die hundert Neueinführungen gibt es pro Jahr, das Prozedere mit Riechtests und Punktevergabe zieht sich über Wochen hin. Eine Jury, bestehend aus den Vorstandsmitgliedern der deutschen Fragrance Foundation, wählt schließlich den Besten Klassiker, die Beste Neueinführung oder auch die Beste Verpackung.

Der Druck auf die Branche wächst, in einer der neun Kategorien zu gewinnen. Während Frankreich 2002 1,8 Milliarden Euro und Spanien eine Milliarde Euro Umsatz machten, entwickelte sich der deutsche Parfümmarkt mit 1,4 Milliarden Euro leicht rückläufig. Und so orientiert man sich beim FiFi immer mehr am Fest der Feste, dem Oscar. Nur das Kleid der Moderatorin Caroline Beil will nicht ganz zu dem um elegante Gediegenheit bestrebten Anlass passen. Ihre neonrosafarbene Robe erinnert den Promifrisör Gerhard Meir "ein bisschen an Karstadt".

Moderatorin Caroline Beil im Karstadt-Look

In der vielleicht künstlichsten aller Farben wirkt Caroline Beil auf der Bühne allerdings so natürlich fasziniert, als fände sie nichts anregender als das Moderieren von Parfümawards und das Aushändigen von Kristallskulpturen. Sie küsst und flirtet und plaudert, federt so manch hölzernes Marketingchef-Gestammel ab: "Ich hätte gerne ein Wässerchen mit ihm Dschungel gehabt - auch im allgemeinen Interesse." Zwischendurch kommen Laudatoren wie der türkische Schauspieler Erol Sander auf die Bühne, der lieber über die Oscars sprechen will und sich verhaspelt, als es auf die Düfte und den Anlass dieses Abends kommt: "Da bin ich gar nicht gut." Die Frauenfußballerin Steffi Jones buhlt charmant um einen Werbevertrag, Jil Sander ist krank geworden. Nach einer Stunde ist alles verliehen, Gucci, Guerlain, Davidoff und andere wurden bedacht. "Mir hat"s Riesenspaß gemacht!" jubelt Caroline Beil, und nun geht"s in den angrenzenden Saal zum weiteren Programm des Abends. Die hübschen Damen tanzen und wiegen sich, die bodenlangen Röcke schwingen. Die Männer kämpfen irgendwo um Autos, Toaster oder Duschvorhangringe. Was soll's. Hier wird das Überleben, nicht der Fortbestand gefeiert.

© SZ v. 08.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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