Offenburg:Polizei bleibt nach Amokwarnung an den Schulen im Südwesten präsent

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Ermittler haben die Leiche des gesuchten 18-jährigen Schülers entdeckt. Vor den Schulen patrouillieren weiterhin Polizisten, weil immer noch ungeklärt ist, ob der 18-Jährige die Warnung verfasst hatte.

Zwei Wochen nach der Bluttat an einer Schule im westfälischen Emsdetten hat die Ankündigung eines Amoklaufs per Internet am Mittwoch Schüler, Lehrer und Eltern in Baden- Württemberg in Angst versetzt. Ein unbekannter Mitspieler hatte laut Polizei in einem Internet-Killerspiel für den Nikolaustag gedroht, an seiner Schule ein Blutbad anzurichten.

Ein Polizeitransporter auf dem Weg in das Waldstück, in dem sich der 18-jährige Schüler tötete. (Foto: Foto: afp)

Die Ermittler entdeckten die Leiche eines 18-jährigen Schülers aus Offenburg, der sich mit der Waffe seines Vaters unweit des Elternhauses erschossen hatte. Nach ihm war im Zusammenhang mit der Drohung gefahndet worden. Die Polizei konnte aber noch nicht klären, ob es eine konkrete Verbindung zwischen dem jungen Mann und der Drohung im Internet gibt.

An den Schulen in Baden-Württemberg herrschte am Mittwoch Ausnahmezustand. Einige wurden geschlossen, andernorts wurden nur einzelne Eingänge geöffnet, um Kontrollen zu erleichtern. Viele Eltern behielten ihre Kinder aus Sorge zu Hause. Kultusminister Helmut Rau (CDU) forderte die Eltern auf, ihre Kinder "mit Vertrauen in die Schulen zu schicken."

Zeugen hatten den 18-Jährigen als Einzelgänger und Fan von Killerspielen beschrieben. Zudem habe er schlechte Schulnoten gehabt. Das begründete für die Behörden die Vermutung, dass der Schüler des Technischen Gymnasiums in Offenburg möglicherweise einen Amoklauf geplant haben könnte. Polizisten durchsuchten das Gymnasium und die Haupt- und Realschule in Neuried-Ichenheim, die der 18-Jährige früher besucht hatte.

Die Polizei verfolgt unterdessen weiter die Spuren im Internet. Im Computer des 18-Jährigen hatten die Ermittler Hinweise entdeckt, dass er im Internet an Killerspielen teilgenommen hat. Auf der Festplatte gab es aber keine Beweise, dass der 18-Jährige die Warnung vor einem Amoklauf geschrieben hat. "Mit dem Suizid ist der Fall für uns nicht beendet", sagte der Baden-Württembergs Polizeipräsident Erwin Hetger.

Zwei Schüler aus Rheinland-Pfalz hatten die Polizei über die mögliche Gefahr eines Amoklaufs informiert. Einer ihrer "Counterstrike"-Mitspieler habe bei dem Mannschaftsspiel auf eigene Leute geschossen und "wild in der Luft rumgeballert", sagte Hetger. Nach Aussage der Realschüler habe der Unbekannte im Internet geschrieben: "Ich habe dieses hier satt, ich will jetzt Blut sehen."

Nach den Hinweisen hatte das Kultusministerium in Stuttgart am Dienstagabend öffentlich vor einem möglichen Amoklauf gewarnt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die Behörden für die frühe Information der Öffentlichkeit. "Das hätte man so in der Öffentlichkeit nicht diskutieren dürfen", sagte der Landesvorsitzende der GdP, Josef Schneider. Dagegen kann nach Ansicht des Trauma- Experten Georg Pieper aus dem hessischen Gladenbach eine frühe Warnung die Aufmerksamkeit für potenzielle Täter schärfen.

Pieper hatte die Betreuung der Schüler des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums nach dem Amoklauf 2002 organisiert. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) kündigte an, mit den Kommunen als Schulträger darüber zu sprechen, ob mehr Schulpsychologen eingestellt werden müssen. Angesichts der wachsenden Aggressivität von Schülern müsse eine verstärkte Weiterbildung der Lehrer zu dieser Problematik erwogen werden.

Mit einer Soft-Air-Waffe hat ein 20-jähriger Auszubildender in einer Berufsschule in Vilshofen in Bayern einen Mitschüler getroffen, der nicht verletzt worden sei, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. "Soft-Air-Waffen" haben Plastikkügelchen als Munition und sind frei verkäuflich. Die Polizei nahm den Mann fest.

Nach einem angedrohten Amoklauf hat die Polizei in München einen Mann verhaftet. Der 21-Jährige habe im Internet verbreitet, er plane an seinem Arbeitsplatz eine ähnliche Tat wie der Amokläufer von Emsdetten, berichtete die Polizei. Bei der Festnahme sagte der Mann, er habe seine Drohung nie wahr machen wollen und habe keine Waffe.

Am 20. November hatte in Emsdetten ein 18-Jähriger schwer bewaffnet seine frühere Schule überfallen. Er schoss fünf Menschen an und tötete sich selbst. Insgesamt 37 Menschen wurden verletzt, viele davon erlitten Rauchvergiftungen. Die Herkunft der dritten Waffe des 18-Jährigen ist unterdessen geklärt. Wie die Staatsanwaltschaft Münster mitteilte, hatte der 18-jährige das Gewehr mit Munition bei einem 24-jährigen Bekannten gegen ein Soft-Air-Gewehr getauscht. Zwei Waffen hatte er legal im Internet erworben.

Seit dem Amoklauf von Emsdetten sind bei der Polizei mehr als 20 Hinweise auf Gewaltandrohungen gegen Schüler und Lehrer in Nordrhein- Westfalen eingegangen, sagte NRW-Polizeiinspektor Dieter Wehe, der dpa. Auch im Land Brandenburg hat es in letzter Zeit öfter Drohungen gegen Schulen oder Lehrer gegeben. Oft handele es sich um Trittbrettfahrer, die nach Vorfällen wie dem Amoklauf in Emsdetten Nachahmertaten ankündigten, sagte Stephan Breiding, Sprecher des Potsdamer Bildungsministeriums.

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