Özdemir zum Fall Marco W.:"Populismus im Nebenfach"

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Jetzt mischt sich auch ein erster Europa-Abgeordneter in die Debatte um den 17-Jährigen ein. Doch während Cem Özdemir Populismus-Vorwürfe erhebt, kämpft Marco um seinen Schulabschluss.

Der Europa-Abgeordnete Cem Özdemir hat das Vorgehen der Türkei im Fall des 17-jährigen Marco W. verteidigt. "Die Vorgehensweise der türkischen Justiz, die ich in der Vergangenheit mit gutem Grund auch schon oft genug kritisiert habe, entspricht in diesem Fall europäischen und rechtstaatlichen Normen", schrieb der Grünen-Politiker in einem Beitrag für die in Dresden erscheinende Sächsische Zeitung.

Marco W.: Seit Monaten sitzt der 17-Jährige in der Türkei im Gefängnis. In seiner Heimatstadt macht man sich Gedanken über seinen Schulabschluss. (Foto: Foto: ddp)

Der türkische Paragraph 103, der sexuelle Kontakte mit Kindern unter 14 Jahren unter Strafe stellt und nun Grundlage der Anklageerhebung gegen Marco W. ist, sei bereits im Jahr 2005 entsprechend an EU-Normen angepasst worden. Auch in Deutschland handele es sich dabei um ein strafbares Delikt.

Özdemir griff in diesem Zusammenhang den Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, an, weil dieser wegen des Falls Marco W. den EU-Beitritt der Türkei öffentlich in Frage gestellt hatte.

"Kauder kennt das deutsche Strafrecht, er hat Jura studiert. Im Nebenfach hat er offenbar Populismus belegt", schrieb Özdemir.

"Dieser öffentliche Druck und die Kommunikation der beteiligten Parteien über die Medien hat Marco W. mehr geschadet als geholfen und verhindert, dass der Fall möglicherweise über diplomatische Kanäle zügig geklärt werden konnte."

Es sei daher nicht verwunderlich, dass türkische Vertreter nun öffentlich an die Unabhängigkeit ihrer Justiz erinnerten und sich irritiert fragten, was sie denn nun schon wieder falsch gemacht hätten.

Während sich deutsche Politiker gegenseitig Vorwürfe machen, denkt man in Marcos Heimatstadt Uelzen über die schulische Zukunft des 17-Jährigen nach.

So muss der seit Monaten in der Türkei inhaftierte Schüler Marco W. möglicherweise die wegen seines Gefängnisaufenthalts versäumten Prüfungen für den Realschulabschluss nicht nachholen.

Der Sprecher des niedersächsischen Kultusministeriums, Georg Wessling, sagte laut Bild-Zeitung: "Bei Gründen, die der Schüler nicht selbst zu verantworten hat, besteht die Möglichkeit, einen Realschulabschluss auch ohne Prüfung zu erteilen."

Falls es allerdings ein rechtskräftiges Urteil geben werde, "müssten wir dieses genau anschauen". Die Möglichkeit, den Abschluss im Gefängnis nachzuholen, habe Marco W. nicht, sagte Wessling. "Es wäre auch unfair, da er sich in einer Gemeinschaftszelle nicht optimal vorbereiten kann."

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