Niederlande und der Nikolaus:Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

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Der Nikolaus kann in Holland wieder ohne Polizeischutz auftreten. Lange galt "Sinterklaas" als Rassist, weil er sich mit farbigen Knechten umgibt.

Siggi Weidemann

Nach dem holländischen Festkalender hat Sankt Nikolaus das Land in der Nacht zum 6. Dezember verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland gemacht. Das passierte in aller Stille, und fast niemandem ist es aufgefallen. Sein Verschwinden steht damit in schrillem Kontrast zu seiner Ankunft vor drei Wochen.

Sinterklaas und der Zwarte Piet (Foto: Foto: ddp)

Zehntausende Menschen haben ihm zugejubelt, als er am dritten Samstag im November mit Schiffen in Amsterdam und anderen niederländischen Städten anlegte. Auf seinem Schimmel ritt er durch die Straßen, begleitet von Gauklern, Musikern und einer Schar schwarzbemalter Pagen in farbenprächtigen Kostümen, den "zwarten piets", den schwarzen Petern. Es war die glorreiche Rückkehr von Sinterklaas, wie der Nikolaus in Holland genannt wird.

Ohne Polizeischutz und kugelsichere Weste

Sinterklaas ist nach Jahren, in denen er arg angefeindet wurde, wieder populär. Er kann in den Niederlanden endlich wieder ohne Polizeischutz auftreten und muss keine kugelsichere Weste tragen. Auch die Geschäftswelt jubelt. 820 Millionen Euro gaben die Niederländer 2007 für Nikolaus-Geschenke aus, 15 Prozent mehr als im letzten Jahr. Am 5. Dezember ist "Päckchenabend", vergleichbar mit dem Heiligen Abend in Deutschland - und der wird diesmal wieder größer gefeiert als Weihnachten, so aktuelle Umfragen.

Als vor etwa 15 Jahren von fortschrittsgläubigen Pädagogen und politisch korrekten Politikern der Rückzug des Sinterklaas gefordert wurde, begann ein Glaubenskrieg. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob "Mohren" im Gefolge des Heiligen auftreten dürfen und ob der Nikolaus ein Kreuz tragen darf - oder ob er aus Rücksicht auf die im Land lebenden Muslime auf die christliche Symbolik verzichten sollte. Erbittert wurde der Farbenstreit zwischen allen Parteien ausgetragen. Und so traten statt der schwarz geschminkten Peter rote, grüne, gelbe oder blaue Peter auf.

Weg mit dem Weihnachtsmann!

Der heilige Mann im Bischofskostüm wurde als Rassist verunglimpft, weil er Farbige als Knechte mit sich führt. Die Nikolaus-Gegner verweisen auf die blutige holländische Kolonialgeschichte und ihre unrühmliche Rolle als Sklavenhalter, denn mit dem Nikolaus bekämen die Kinder den Rassismus eingetrichtert.

Die Befürworter des einzigen "nationalen folkloristischen Festes" des Landes sprachen von einer verfehlten Art von "political correctness" und "bevormundenden Argumentation der Pädagogen": Das traditionsreiche Fest müsse sich an die geänderten kulturellen Umstände anpassen. Andere sahen im Kampf gegen den Nikolaus einen Angriff der Weihnachtsmann-Clique.

Die Kinder haben mit Erfolg den Heiligen Mann im Bischofsmantel, mit Hirtenstab, Mitra - und auch den schwarzen Schwarzen Peter zurückgefordert. Sie haben Spaß an Mythen und Traditionen gefunden, denn der humorlose Weihnachtsmann mit seinem polternden "Ho, ho, ho" sagt ihnen wenig. Auch immer mehr Eltern finden den traditionellen Nikolaus gut, weil er die Phantasie der Kinder anregt.

Während in den vergangenen Jahren viele Kindergärten aus Angst vor Rassismusvorwürfen keine Nikolausfeste feierten, kaum Nikoläuse zu sehen waren, in Stadtvierteln mit hohem muslimischen Anteil keine Nikoläuse auftraten, ist er nun auch dort wieder zu sehen.

Die Schwarzen-Peter- und Nikolaus-Kostüme sind ausgebucht. Ein bunter Piet wirkt wohl nicht glaubwürdig, ebenso wenig wie ein Nikolaus ohne Kreuz. Auch vor rund 350 Jahren, als die Calvinisten Auftrittsverbote für ihn erlassen und das Nikolausfest als "papistisch" verboten, hatten die Kinder schon einmal gesiegt, indem sie streikten.

Das Nikolausfest findet in Holland auch neue Freunde. Nicht nur, weil der altmodische Heilige Mann gegen den neumodischen Weihnachtsmann und seinen ruppigen Knecht Ruprecht beschützt werden müsse, sondern auch unter Bürgern mit Migrationshintergrund. So spazierte im Amsterdamer Stadtteil Slotervaart, wo sich vor einigen Wochen jugendliche Marokkaner mit der Polizei Straßenschlachten lieferten und zahlreiche Autos in Flammen aufgingen, ein marokkanischer Vater herum - verkleidet als Nikolaus.

Mit seinen Schwarzen Petern lief er im Bischofskostüm und weißem Bart durchs Viertel, verteilte Geschenke und erklärte Zweifelnden die Herkunft der Zwarten Pieten: Die stammen angeblich nicht von Sklaven ab, sondern vom germanischen Wintergott, der durch den Schornstein gefallen ist.

© SZ vom 06.12.2007/mako/maru - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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