Niederlande:Den Haag behagt nicht

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Eine Umfrage unter 3500 Mitarbeitern internationaler Einrichtungen offenbart, dass kaum einer in der holländischen Stadt zufrieden ist.

Siggi Weidemann

Der Regierungssitz und seine Schlösser, in denen die niederländische Königin Beatrix lebt und arbeitet, erfreut sich bei internationalen Organisationen großer Beliebtheit. So glaubte man jedenfalls bisher. Aber Diplomaten und ausländische Mitarbeiter beim Internationalen Gerichtshof, beim Friedensgericht, bei Europol oder bei OPCW, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, sind unzufrieden mit ihrem Standort.

Fast 8o Prozent der Ausländer fühlen sich in Holland und vor allem in Den Haag nicht wohl und würden das Land am liebsten schnell wieder verlassen. Das geht aus einer Umfrage unter 3500 Ausländern hervor, die an internationalen Einrichtungen in Den Haag arbeiten. Durchgeführt wurde die Zufriedenheitsstudie von den Personalvertretungen internationaler Niederlassungen

Die befragten Ausländer beklagen sich über die Lebenshaltungskosten und die Lebensqualität in Hollands drittgrößter Stadt. Für Den Haags Bürgermeister Wim Dettman, der bei Ansprachen nie versäumt, zu erwähnen, wie stolz er darauf ist, dass er seine 469.000-Einwohner-Stadt als "juristische Hauptstadt" der Welt sieht, ist dieses vernichtende Urteil der ausländischen Gäste ein ziemlich herber Rückschlag. s'Gravenhage - wie Den Haag auch genannt wird - zählt etwa 70 internationale Einrichtungen plus Botschaften.

Teure Horte, mieses Wetter

Die Mängelliste ist lang und reicht von teuren Kindergärten über undurchsichtige Bürokratie, Wohnungsmangel, Spannungen zwischen der eigenen Organisation und niederländischen Ämtern bis hin zum Essen, schlechtem Wetter, Unhöflichkeit und dem zunehmenden Ressentiments von Holländern gegenüber Ausländern.

Auffallend ist, dass sich Ausländer vor allem an der unflexiblen Bürokratie und der undurchsichtigen Gesundheitsfürsorge ärgern: Uninteressierte Ärzte, unübersichtliche Krankenversicherungen, mangelnde medizinische Versorgung. Das alles monieren viele der 3500 Befragten. Wer es sich leisten kann, lässt sich im Ausland behandeln. Ein Deutscher, der als Inspektor bei OPCW beschäftigt ist, charakterisierte in der Umfrage die Holländer als ein neidisches Volk, und wenn er seinen Abfallsack eine halbe Stunde zu früh vor die Tür stelle, würden sich schon seine Nachbarn beklagen, gab er auf dem Fragebogen an.

Die Klagen von Ausländern über die Lebensqualität in Holland sind allerdings nicht neu. Zu Beginn dieses Jahres hatten sich die etwa 3000 Mitarbeiter des Internationalen Schiedsgerichtes und des Europäischen Patentamtes über Gastunfreundlichkeit und über Schwierigkeiten bei der Immigration von Familienmitgliedern beschwert. Mit Erfolg. Den Haag hat sich die Kritik zu Herzen genommen und jedenfalls im Punkte der Einwanderung Änderungen eingeführt.

(SZ vom 5.10.2005)

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