New Orleans:Die Deiche brechen wieder

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Erste Ausläufer des Hurrikans "Rita" haben einen gerade erst notdürftig reparierten Deich wieder gebrochen - Wasser strömt in die Stadt. Während der Evakuierung von Houston ist es unterdessen zu einem tragischen Unglück gekommen: 20 Menschen starben, als ein Bus explodierte.

"Wir haben ein Überlaufen am Industrie-Kanal entdeckt", sagte ein Sprecher des US-Pionier-Korps dem lokalen Rundfunk. Medienberichten zufolge strömte Wasser auf einer Länge von mehreren Metern aus einer Barriere, die nach "Katrina" gebrochen und danach mühsam repariert worden war, auf die Straßen im neunten Bezirk. Es ist jenes Stadtgebiet, das vor knapp vier Wochen am schwersten überflutet worden war. Wie es hieß, stieg das Wasser auf mehreren Straßen in kürzester Zeit rapide an.

Kaum noch vorwärts ging es für diese Flüchtlinge auf dem Weg nach Dallas. (Foto: Foto: Reuters)

Bei der Explosion eines Busses mit Hurrikan-Flüchtlingen auf einer Autobahn bei Dallas (Texas) sind nach Polizeiangaben mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen. Im Bus waren ältere Passagiere aus einem Altenheim, die vor "Rita" in Sicherheit gebracht werden sollten. "Der Sheriff sagt, dass 43 Menschen in dem Bus unterwegs waren und mindestens die Hälfte von ihnen getötet wurde", berichtete der Reporter eines NBC-Partnersenders.

Der Sheriff von Dallas, Don Peritz, sagte CNN zufolge, vermutlich hätten die Bremsen des Busses Feuer gefangen, so dass Sauerstoffflaschen im Bus explodiert seien. CNN zeigte Bilder des völlig ausgebrannten Fahrzeuges, das sich bei der Explosion in ein Flammenmeer verwandelt hatte.

Chaotische Staus

Die Massenflucht vor dem Hurrikan "Rita" hat auf den Autobahnen in den US-Bundesstaaten Texas und Louisiana zu einem Verkehrschaos geführt. Eine ältere Frau starb an Erschöpfung.

Rund zwei Millionen Menschen wollten per Auto weiter nach Norden. Folge: Die Highways waren verstopft.

"Die Highways aus Houston heraus sind mit Tausenden Autos verstopft", berichtete der Nachrichtensender CNN aus der Millionenstadt. Die Autobahnen glichen teilweise riesigen Parkplätzen. Viele seien ohne Benzin liegen geblieben,.

Bürgermeister Bill White forderte die Bewohner auf: "Bitte verlassen Sie nicht mehr Ihre Häuser." Der Zeitpunkt für die Flucht sei überschritten.

Wetterexperten schätzten, dass der Hurrikan mit der zweithöchsten Kategorie 4 am Samstag zwischen 14.00 und 16.00 Uhr (MESZ) auf Land treffen wird.

Deshalb sollte der Betrieb auf dem Internationalen Flughafen in Houston am Freitag von 19.00 Uhr MESZ an eingestellt werden.

Zahlreiche Airlines hatten ihre Flüge in die Stadt aber schon vorher gestrichen, wie es in einer Mitteilung des Flughafens hieß. Die Flüge sollen wieder aufgenommen werden, sobald es das Wetter erlaube. Dies gelte besonders für Hilfsgütertransporte.

Tankstellen hätten kein Benzin mehr, und der Nachschub bleibe in den Staus stecken, berichteten Reporter. Wer jetzt die Stadt noch nicht verlassen habe, komme nicht mehr weg.

"Der Verkehr ist schrecklich. Ich hab' das im Fernsehen gesehen", sagte die 67-jährige Geneta Smith dem Radiosender "KLVI". Sie will zu Hause in Baytown, südöstlich von Houston, auf "Rita" warten. "Ich bleibe lieber daheim und riskiere, dass mein Haus beschädigt wird, als dass ich auf der Autobahn ins Nichts fahre."

Auf den verstopften Straßen benötigten Autofahrer bis zu 15 Stunden für 20 Kilometer. Bei heißen Temperaturen erlitten einige Menschen in den Wagen Hitzschläge.

Am Flughafen von Houston zwang der Ansturm der Passagiere Hunderte, darunter auch ältere Menschen, bei 37 Grad Hitze außerhalb der Gebäude zu warten. Das Durcheinander wurde noch gesteigert, weil etwa 100 Sicherheitsleute nicht zum Dienst erschienen waren, berichtete der Rundfunk.

"Die Nervosität nimmt zu"

"Wir hatten eigentlich nicht vor zu gehen", sagte die 68-jährige Zelda Fruzia, die am Stadtrand von Houston wohnt. "Aber als wir von Windgeschwindigkeiten bis zu 280 Stundenkilometern hörten, haben wir unsere Meinung geändert.

Kinderwagen und Berge von Gepäck verstopften die Hallen des Flughafens. Medien berichteten von ersten Flüchtlingen, die aufgegeben haben und zurückkehrten. "Die Nervosität nimmt zu", sagte ein Reporter.

Das Nationale Hurrikan-Zentrum befürchtet, dass der Wirbelsturm "Rita" erneut an Kraft gewinnen könnte. Der Direktor der Zentrums, Max Mayfield, erklärte nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN am späten Donnerstagabend, über Nacht könnte "Rita" über dem warmen Küstengewässer des Golfs von Mexiko möglicherweise erneut zu einem Hurrikan der höchsten Kategorie 5 anwachsen. "Der Sturm hat das Potenzial für den Verlust vieler Leben."

Sollte der Wirbelsturm auf die Region von Houston und Galveston treffen, könnte das schwere Verwüstungen für die dort dicht an dicht angesiedelten Anlagen der Öl-Industrie bedeuten. Mindestens 18 von 25 Raffinerien auf dem Weg des Sturmes wurden geschlossen. Das umfasst rund 25 Prozent des landesweiten Öl-Bedarfs.

Nach Einschätzungen des Hurrikan-Experten des Wetterdienstes Meteomedia, Thomas Sävert, könnte ein neues Hochdruckgebiet zu einem großen Problem werden. Es könnte "Rita" blockieren, sobald der Hurrikan an Land gezogen ist.

Das bedeute, dass der Hurrikan irgendwo im Bereich Texas - Westlouisiana zum Stillstand komme und dort enorme Regenmengen abladen dürfte. Dabei sind nach Säverts Angaben in den nächsten Tagen örtlich Gesamtmengen von mehr als 500 Litern Regen pro Quadratmeter möglich, stellenweise auch deutlich mehr. Damit steige die Gefahr von großflächigen Überschwemmungen auch weit im Landesinnern.

US-Präsident George W. Bush wollte sich am Freitag selbst ein Bild über den Stand der Vorbereitungen auf Hurrikan "Rita" in seinem Heimatstaat Texas machen. Dabei wolle Bush auch seine Unterstützung für die Betroffenen zum Ausdruck bringen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan.

Danach werde der Präsident nach Colorado fliegen, um im Kommandostab Northern Command die weitere Entwicklung des Wirbelsturms, den Einsatz und die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen zu verfolgen.

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