Der Mann ist ein unerforschtes Wesen - zumindest in der Sozialwissenschaft. Darum hat sich Nina Baur von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt etwas genauer mit dem unbekannten Geschlecht befasst.
Exakt 709 Männer und Frauen aller Generationen wurden in Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt zum Bild des Mannes in der Gesellschaft befragt. Ein Fazit der Soziologin: Zwischen dem Männerbild der Frauen und dem der Männer liegen Welten.
SZ: Warum haben sich Forscher bislang so wenig mit den Männern befasst, Frau Baur?
Baur: Die Sozialwissenschaft hielt das bisher für überflüssig. Es galt die Überzeugung, dass der männliche Lebenslauf der normale sei. Darum sind Frauen als "abweichende" Kategorie seit dreißig Jahren Gegenstand der Forschung, über das Männerbild in der Gesamtbevölkerung wussten wir hingegen lange fast nichts.
SZ: Sie haben diese Forschungslücke ja nun geschlossen. Was macht Ihrer Studie nach den Mann zum Mann?
Baur: Das lässt sich gar nicht so einfach sagen. Es hängt vor allem davon ab, wer die Frage beantwortet - ein Mann oder eine Frau.
SZ Fangen wir beim Mann an.
Baur: Eine deutliche Mehrheit der Männer glaubt, dass Frauen von ihnen einen guten Verdienst, einen Universitätsabschluss, ein tolles Auto, einen muskulösen Körper und teure Geschenke erwarten.
SZ: Ja, das hört sich gut an.
Baur: Das ist aber nicht das, was der Großteil der Frauen will. Nur jeder dritten Frau ist es wichtig, dass ihr Mann viel verdient, nur jede sechste wünscht teure Geschenke und nur jeder zehnten bedeutet es etwas, dass ihr Partner ein teures Auto fährt. Männer glauben irrtümlicherweise, dass sie perfekt sein müssen, und dass Statussymbole extrem wichtig sind. Und sie glauben, dass Frauen gemeinsames Shoppen wichtig ist.
SZ:Noch ein großer Irrtum!
Baur: In der Tat. Nur etwa die Hälfte aller Frauen legt Wert auf gemeinsames Einkaufen, mehr als drei Viertel aller Männer aber glaubt, dass ihren Partnerinnen das wichtig ist. Auch in der Frage der körperlichen Attraktivität schätzen Männer Frauen wesentlich strenger ein, als sie wirklich sind. Männer glauben, dass es entscheidend ist, sportlich auszusehen. Frauen sehen das pragmatischer.
SZ:Wir haben uns also damit abgefunden, dass es nur einen George Clooney gibt und wir den sowieso nie treffen?
Baur: Frauen sind realistischer, ja. Dabei ist es den Befragten durchaus wichtig, dass Männer gut aussehen und ihre Partnerin auch sexuell ausfüllen, aber anderes ist ihnen wichtiger. Etwa, ob ein Mann Zeit für seine Partnerin hat. Interessant sind dabei auch regionale Unterschiede. Anders als etwa in Baden-Württemberg finden Frauen einen Mann in Sachsen-Anhalt nicht weniger attraktiv, wenn er arbeitslos ist. Wieder ein Zeichen für weiblichen Realitätssinn - es gibt keine Arbeit, also verliert Arbeitslosigkeit ihr Stigma.
SZ:Was ist noch wichtig?
Baur: Das mit Abstand wichtigste Merkmal eines attraktiven Mannes sehen sowohl Männer als auch Frauen in einem guten Sinn für Humor. Das ist allerdings schon der einzige Punkt, an dem Selbst- und Fremdwahrnehmung in unserer Befragung eine hohe Übereinstimmung erzielen.
SZ: Woher kommt die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung? Fragen Männer Frauen zu wenig, was sie am anderen Geschlecht interessiert?
Baur: Auch das, aber vor allem liegt es daran, dass die Geschlechteridentität weniger in der Partnerschaft als bereits in der Kindheit und Pubertät konstruiert wird und da sind Jungen mit Jungen befreundet. Zudem werden auch Männer stärker von den Medien geprägt.Frauen haben ein viel moderneres Männerbild als Männer.
SZ: In welchen Bereichen schätzen Männer Frauen noch falsch ein?
Baur: Bei der Technikkompetenz. Unsere Studie zeigt, dass es 66 Prozent aller Frauen sehr wichtig ist, dass ein Mann gut mit technischen Geräten umgehen kann, also zum Beispiel einen Fön reparieren oder ein Lampe anschließen kann.
Männer schätzen sich da falsch ein: Sie halten diese Fähigkeit zwar überwiegend für typisch männlich, aber nur 40 Prozent von ihnen glaubt, dass Frauen dies an Männern stark anzieht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Traummann ein humorvoller Techniker ist, der viel Zeit für seine Partnerin hat und vor allem kinderlieb ist. Gerade in der Frage des Kinderwunsches unterscheiden sich die Vorstellungen. Männer unterschätzen, wie wichtig Frauen Kinder sind.
SZ: Inwiefern?
Baur: Es kristallisiert sich bei der Studie heraus, dass es unter Männern nicht zum Selbstverständnis gehört, dass ein Mann ein Vater sein muss. Nur 40 Prozent der Männer glauben, dass Frauen dieses sehr wichtig ist, ein attraktives Aussehen halten sie für viel wichtiger.
75 Prozent der befragten Frauen allerdings finden Männer unattraktiv, die keine Kinder mögen, 60 Prozent der Frauen halten solche Männer sogar für sehr unattraktiv. Die Debatten über die Kinderlosigkeit, vor allem bei Akademikern, haben sich bisher immer auf die Frauen konzentriert, unsere Studie deutet aber darauf hin, dass die Männer hier genauso beteiligt sind.
SZ: Woran liegt es bei den Männern?
Baur: Ein wichtiger Punkt ist dabei die Ungleichzeitigkeit des Kinderwunsches. Die meisten Männer haben in der Studie gesagt, dass ein Mann erst dann eine Familie gründen soll, wenn er sie auch gut ernähren kann, wenn er also mit seiner Karriere weit fortgeschritten ist. In der "Generation Praktikum" ist das oft erst Mitte oder sogar Ende Dreißig der Fall. Da kann es für ihre Partnerinnen vielleicht schon zu spät sein.
Das Interview führte Claudia Fromme.