Neue alte Eheregelung:Torschlusspanik

Lesezeit: 2 min

Mit oder ohne Staates Segen - ganz so einfach soll Heiraten nun doch nicht werden. Parlamentarier wollen die rein kirchliche Ehe stoppen.

Matthias Drobinski

Sie ist jetzt 66, er vier Jahre älter. Als vor fünf Jahren ihr Mann starb, hätte sie nie gedacht, dass sie sich noch einmal verlieben könnte - und jetzt ist es passiert: Schmetterlinge im Bauch, Pudding in den Beinen.

Einfach in die Kirche stürmen geht nicht: Der Staat will auch seinen Segen geben. (Foto: Foto: iStockphotos)

Weil sie fromme Menschen sind, würden sie gern kirchlich heiraten - wenn da nicht ihre Witwenrente wäre. Die wäre bei einer standesamtlichen Trauung weg, und bislang muss man erst zum Standesamt, wenn man kirchlich heiraten will.

An solche Fälle mögen die Beamten im Ministerium gedacht haben, als sie in das neue Personenstandsgesetz so formulierten, dass eine kirchliche Ehe auch dann geschlossen werden kann, wenn sich ein Paar vorher nicht zivil trauen ließ. Die Parlamentarier der Koalition von SPD und CDU, die im vorigen Jahr dem Gesetz zu später Stunde zustimmten, dürften sich noch weniger gedacht haben.

Erst jetzt kommen einigen die zweifelhaften Fälle in den Sinn, die das Gesetz vom dem 1. Januar 2009 an hervorbringen könnte: Den christlichen Fundamentalisten, der seiner Frau erklärt, dass Ehen im Himmel geschlossen werden, weshalb die staatliche Ehe samt ihren sozialen Sicherheiten des Teufels sei. Oder den Kerl, der die eine Frau kirchlich und die andere standesamtlich ehelicht. Oder den strengen Muslim, der, ermuntert durch die Regelung, die Zweitfrau heiratet.

Angst vor Vielehen

Deshalb rücken nun die ersten Politiker von dem Gesetz ab, das sie neulich noch beschlossen haben. "Das können wir nicht so laufen lassen", sagt Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, "nach deutschem Recht sind Vielehen verboten, und wir können kein Gesetz in Kraft setzen, das es möglich macht, in 24 Kirchen 24 Partner zu heiraten, ohne dass der Staat einschreitet."

Nach der Sommerpause werde über eine Korrektur zu reden sein. Auch der FDP-Innenexperte Max Stadler findet, die Standesämter müssten prüfen, ob bei einem Paar bereits eine Ehe geschlossen wurde. Wolfgang Neskowic, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion, nennt es einen "bizarren Widerspruch" dass sogar eine staatlich-kirchliche Doppelhochzeit mit zwei Partnern möglich sei. Und die türkischstämmige Frauenrechtlerin Seyran Ates mutmaßt, das neue Gesetz legalisiere "die Imam-Ehe".

Die Ängste seien übertrieben, heißt es dagegen beim Bundesinnenministerium. Die Neuregelung betreffe die Muslime überhaupt nicht, sagt ein Ministeriumssprecher. Schon jetzt würden religiöse Ehen bei Zuwanderern geschlossen, die nichts mit der staatlichen Ehe zu tun hätten, daran ändere das neue Gesetz nichts. Und die Kirchen hätten erklärt, dass sie das bisherige Verhältnis von standesamtlicher und kirchlicher Ehe beibehalten wollten.

"Das Innenministerium betont die Religionsfreiheit", sagt Wiefelspütz, "und glaubt, einen Zopf aus der Kulturkampfzeit des 19. Jahrhunderts abgeschnitten zu haben. Aber das ist in den Folgen noch nicht genügend bedacht."

So könnte nach der Sommerpause aus der Personenstandsrechts-Reform ein kleiner Ehekrach in der Koalition werden, wenn die SPD, unterstützt von den Oppositionsparteien, eine Reform der Reform fordert, wogegen sich das vom CDU-Minister Wolfgang Schäuble geführte Ministerium sträubt.

Allerdings könnte Wiefelspütz auch damit leben, wenn, wie in Österreich, eine kirchliche Heirat ohne Standesamt nur mit bischöflicher Erlaubnis möglich wäre: "Das könnte eine Kompromisslinie sein", sagt er. Eine, die der noch einmal jung verliebten Witwe den Weg zum Traualtar leichter machen würde.

© SZ vom 8.7.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: