Nachruf:Guruguru, wauwau

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Tamme Hanken, der als "XXL-Ostfriese" bekannt gewordene Tierheiler, ist mit 56 Jahren gestorben. Es machte ihn zum Publikumsliebling, dass seine autoritätseinflößende Physis mit einer überraschenden Zartheit gepaart war.

Von David Denk

Die Gemeinsamkeiten zwischen Tamme Hanken und Hans-Wilhelm Müller- Wohlfahrt liegen nicht gerade auf der Hand. Aber beide stammen aus Ostfriesland, und beide wurden durch ihre heilenden Hände berühmt: "Ich sehe mit den Fingern", sagte der Orthopäde Müller-Wohlfahrt einmal dem SZ -Magazin, und vom Pferde-Chiropraktiker Tamme Hanken stammt das Zitat: "Wenn ich etwas anfasse, dann kommen Bilder. Ich scanne und ich fühle. Temperatur, Geruch. Gucken, fühlen." Am Montag ist der durch mehrere TV-Formate bekannt gewordene Hanken mit 56 Jahren an Herzversagen gestorben.

Die Interviewer des SZ -Magazins haben seinerzeit ungläubig nachgefragt: "Sie sehen?", weil das für ihren Geschmack doch arg nach Hokuspokus klang. Diese Skepsis, gepaart mit Faszination, kannte auch Tamme Hanken, der ein Handwerk beherrschte, bei dem das Archaische schon im Namen mitschwingt: Er nannte sich, wie in seiner Heimat üblich, "Knochenbrecher". Bei aller Kritik von Schulmedizinern erntete Hanken aber vor allem Dankbarkeit - anfangs auch von menschlichen, später ausschließlich von tierischen Patienten und deren Besitzern, die er oftmals im Ton flapsig, aber im Kern streng zurechtwies. Denn ohne ihre Halter hätten manche Vierbeiner gar kein Problem.

Für die zweite Karriere des Bauern Hanken war neben dem vom Großvater erlernten Spürsinn auch seine autoritätseinflößende Physis von entscheidender Bedeutung: Wenn der 2,06 Meter große Drei-Zentner-Brocken auf Tuchfühlung mit traumatisierten, lahmenden, leidenden Pferden, Hunden, Kühen ging, legte er - anders, als der Name Knochenbrecher nahelegt - eine entschiedene Zartheit an den Tag, die man ihm nicht zugetraut hätte. Das Fernsehen liebt solche augenfälligen Gegensätze - und verknallte sich in den "XXL-Ostfriesen", so der Titel seiner NDR-Dokusoap; in "Der Knochenbrecher auf Tour" war er auch bei Kabel 1 zu sehen. Beide Sender äußerten sich bestürzt über den Tod ihres beliebten Protagonisten und erinnern an ihn: der NDR am Mittwoch von 20.15 Uhr an und Kabel 1 den ganzen Sonntag über.

Ständig war Hanken unterwegs, in Deutschland, Europa, bis nach Australien, um mit seinen Pranken Gutes zu tun. Er war aber auch Geschäftsmann, verdiente gut an seinen selten gewordenen Fähigkeiten. Pro 15-minütiger Behandlung kassierte er Medienberichten zufolge 180 Euro, er konnte im Akkord Hand anlegen, weil die Tierfreunde Schlange standen. Hinzu kamen die Honorare für TV- und Bühnen-Auftritte sowie sein Buch "Das Glück der Pferde in meinen Händen". Ehefrau Carmen bedankte sich auf Facebook bei einem "ganz besonderen Menschen" und dessen Fans für die Anteilnahme: "Ich bin glücklich, dass Tamme so viele Menschen berührt hat." Beileidsbekundungen gingen auf Plattdeutsch, aber auch auf Spanisch und Niederländisch ein.

Besuchermagnet auf dem Pferdehof der Hankens im niedersächsischen Filsum bei Leer (Ostfriesland) sind die "XXL-Kummertage" - ein Name, der plötzlich eine bitter veränderte Bedeutung bekommt: "Derzeit sind alle Kummertagstermine ausgebucht", informiert die Website. Es wird keine neuen geben.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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