Nach Leichenfund im Fall Nadine:Schwierige Aufgabe für Rechtsmediziner

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Im Harz hat Nadines Großvater eine Kinderleiche im Wald gefunden. Er sieht darin den Beweis für die Unschuld seines Sohnes. Experten rechnen jedoch damit, dass nur die Identität des Kleinkinds geklärt werden kann - nicht aber die Umstände des Todes.

Die Identifizierung der im Harz gefundenen Kinderleiche stellt die Ermittler nach Auffassung des Leipziger Rechtsmediziners Rüdiger Lessig vor eine schwere Aufgabe. "Es ist zu erwarten, dass nur noch Knochen da sind", sagte der Mediziner in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

"Es wird darum schwierig werden für die Ermittler. Mehr als die Identität wird kaum zu klären sein", sagte der Experte, der auch für das Bundeskriminalamt (BKA) arbeitet.

Die Polizei geht bislang davon aus, dass es sich bei der Kinderleiche um die vor Jahren verschwundene Nadine handelt. Ihr Vater wurde im Mai zu acht Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung, die Mutter wegen unterlassener Hilfeleistung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.

Haft für die Eltern

Nadines Eltern waren Anfang Mai in einem Indizienprozess wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung zu Haftstrafen verurteilt worden.

Die Leiche hätten sie bereits am Samstag entdeckt, sagte der Großvater. Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei dem Fund im Harz tatsächlich um eine Kinderleiche handelt. Aber erst nach der gerichtsmedizinischen Untersuchung wird nach Polizeiangaben zweifelsfrei feststehen, ob es tatsächlich die sterblichen Überreste von Nadine sind.

Auch die Mutter von Nadine, die nach eigenen Angaben erst vor wenigen Tagen eine Tochter geboren hat, war am Sonntag dabei, als die Kinderleiche gezeigt wurde. "Ich bin in Tränen ausgebrochen, als ich sie sah", sagte sie. "Wir haben sie hierher gebracht, es ist unsere Tochter."

Das Ehepaar hatte dagegen stets angegeben, Nadine sei Anfang 2003 als Zweieinhalbjährige nach einem Sturz aus dem Hochbett gestorben. Aus Angst vor dem Jugendamt hätten sie das Mädchen heimlich im Harz begraben. In Detailfragen hatten sie sich allerdings widersprochen.

Höchstens Knochenbrüche feststellbar

"Feststellungen zu möglichen Misshandlungen werden sich anhand der Leiche kaum treffen lassen", sagte Lessig. Es sei davon auszugehen, dass sämtliche Weichteile des Körpers zerstört seien.

"Eventuell sind noch ein paar Gewebeteile erhalten", sagte der Mediziner. Bei diesem Zustand der Leiche ließen sich Verletzungen nur noch am Skelett feststellen. "Das heißt, dass man nur noch Knochenbrüche sehen könnte, wenn das Kind verletzt wurde."

Auch die reine Identifizierung ist nach Ansicht Lessigs kompliziert. "Anhand des Entwicklungsgrades der Zähne im Kieferknochen, sofern diese vorhanden sind, müsste sich ablesen lassen, wie alt das Kind ist", erklärte er.

Der 49-Jährige ist zugleich Zahnarzt. Wegen dieser eher seltenen Kombination ist der Leipziger Rechtsmediziner auch Mitglied der BKA-Identifizierungskommission. Für diese hat er nach dem Tsunami 2004 in Südostasien vor Ort Opfer der Flutkatastrophe untersucht.

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