Nach der Hetzjagd auf acht Inder:Mügeln - jetzt nicht!

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Die Band "Virginia Jetzt" wollte in Mügeln gegen Fremdenfeindlichkeit anspielen. Doch die ostdeutschen Musiker brachen ihr Konzert ab. Die SZ sprach mit Sänger Nino Skrotzki.

Jahel Mielke

SZ: Warum waren Sie in Mügeln?

Auch Einwohner von Mügeln protestierten: Nach einem Friedensgebet stellten sie am Samstagabend Kerzen vor der Pizzeria ab, in die die Inder sich flüchten konnten. (Foto: Foto: dpa)

Skrotzki: Es gab nach dem Vorfall letzte Woche eine Einladung zu einem Dialog über Fremdenfeindlichkeit. Nach einer Podiumsdiskussion mit den Bürgern sollten wir zum Abschluss ein Konzert spielen.

SZ: Wieso haben Sie das abgebrochen?

Skrotzki: Es gab keinen Dialog. Wir sind schon skeptisch hingefahren, weil wir Sorge hatten, dass die Diskussion eine Werbeveranstaltung für den Ort werden könnte. Unsere Befürchtung wurde bestätigt. Es ging nicht um den Vorfall, der sogar als harmlose Schlägerei abgetan wurde. Für uns war das Thema aber Fremdenhass in Deutschland, und was man dagegen tun kann. Wir waren so empört, dass wir das Konzert nach zwei Liedern abgebrochen haben. Vorher haben wir an die Leute appelliert, sich der Fremdenfeindlichkeit im Ort zu stellen, statt sie zu leugnen.

SZ: Wie war die Reaktion der Bürger?

Skrotzki: Verhalten. Ein bisschen Beifall, ein paar Buh-Rufe. Die Leute waren unbeteiligt. Wir hatten das Gefühl, gegen eine Wand zu sprechen. Vorher hatten Bands gespielt, die nur über das schöne Wetter gesprochen haben. Am nächsten Tag aber haben wir viele E-Mails bekommen. Die Leute schrieben: ,Ihr habt ausgesprochen, was ich mich nicht getraut habe zu sagen.' Wir waren völlig paralysiert von der Verleugnung und Ignoranz, die wir in Mügeln erlebt haben. Der O-Ton der Diskussion war: Wir Mügelner sind doch nicht schuld. Das hat uns enttäuscht, denn wer wegschaut, trägt Mitschuld. Ein Zuschauer sagte, weder in Mügeln noch in Sachsen gebe es Fremdenfeindlichkeit. Die Besucher haben applaudiert.

SZ: Ohne Ausnahme?

Skrotzki: Ein junger Mann von einer Organisation für Opfer rechter Gewalt wurde ausgebuht. Die Initiatoren aus dem Ort, die einen offenen Brief verfasst hatten, wurden als Nestbeschmutzer beschimpft.

SZ: Sie kommen aus Südbrandenburg. Haben Sie in Ihrer Heimat Fremdenhass erlebt?

Skrotzki: Natürlich. Bei uns gab es auch eine Naziszene. Auf den Dörfern musste man sich ganz klar entscheiden, zu welcher Seite man gehören will.

SZ: Wie könnte man das ändern?

Skrotzki: Gerade nach diesem Erlebnis ist es schwer, eine Antwort zu geben. Kürzlich haben wir eine Tour durch Jugendzentren gemacht und gesehen, dass auf dem Land kaum Jugendarbeit stattfindet. Eher werden Ehrenamtlichen Steine in den Weg gelegt. Das ist sicher auch eine Ursache dafür, dass es Jugendliche zu den Rechten zieht.

© SZ vom 29.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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