Nach dem Tsunami:Das Drama um Baby 81

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Ein Säugling hat den Tsunami in Sri Lanka überlebt, nun streiten sich mehrere Paare um den Jungen - da hilft nur noch ein Gentest.

Von Arne Perras

Wer hatte schon damit gerechnet, dass so ein kleines Kerlchen dieser grausamen Flut trotzen könnte? Etwa drei Monate alt war der Junge, als die Gewalt des Meeres über Sri Lanka hereinbrach und mehr als 30.000 Menschen auf der Insel in den Tod riss.

Jedes zweite Opfer war ein Kind. Dieses Baby aber überlebte und wurde am 26. Dezember als 81. Patient in die Klinik von Kalmunai gebracht.

Seither nennen ihn die einen nur noch "Baby 81", die anderen sprechen voller Ehrfurcht vom "Wunderbaby". Eigentlich könnte der Säugling jetzt Ruhe gebrauchen, zu Hause bei seiner Familie. Es fragt sich nur, bei welcher.

Tränen im Gerichtssaal

Von Ruhe kann jedenfalls keine Rede sein, seitdem neun Frauen gleichzeitig versicherten, der kleine Junge sei ihr Kind. Nach Angaben der Polizei hat zwar nur ein Paar einen formalen Anspruch erhoben, das waren der Friseur Murugupillai Jeyarajah und seine Frau Junitha.

Doch ein Gericht in Sri Lanka hat jetzt, nach wochenlangem Streit, verfügt, dass nur ein DNS-Test die Elternschaft zweifelsfrei klären könne. Das Paar Jeyarajah brach daraufhin im völlig überfüllten Gerichtssaal in Tränen aus.

"Das ist keine Gerechtigkeit", rief die Frau. Sie könne es nicht mehr ertragen, weiterhin von ihrem Jungen getrennt zu sein. Und der Mann drohte gar, sich zu vergiften, wenn sie das Kind nicht endlich in ihre Arme schließen könnten.

Auch nach der Sitzung des Gerichts spielten sich nach Darstellung lokaler Medien dramatische Szenen ab. Vom Gerichtsgebäude stürmte das verzweifelte Paar mit einer Gruppe von Freunden zum Krankenhaus. Die Frau riss dort das Kind an sich, das Klinikpersonal versuchte indes die aufgebrachte Menge zu beruhigen.

Erst als die Polizei anrückte, löst sich die Menge auf. Junitha Jeyarajah wurde zusammen mit drei anderen Personen festgenommen, weil die Frau angeblich versucht habe, das Baby mitzunehmen. "Wir können so etwas nicht zulassen", sagte ein Polizei-Sprecher laut AFP.

Als sicher gilt, dass Junita Jeyarajah einen kleinen Sohn hatte, von dem sie sagt, dass er vom Wasser fortgerissen worden sei. Doch der Richter argumentiert, dass in dieser schlimmen Lage, da noch immer Tausende Kinder vermisst sind, nur ein Gentest die richtige Lösung sein könne.

Die Untersuchung war von der Kinderschutzbehörde des Distrikts gefordert worden. Bis das Ergebnis des Tests vorliegt, muss das Kind laut Gerichtsbeschluss in der Klinik bleiben.

Trauma für Eltern und Kinder

Denn die Lage würde nur noch schwieriger, wenn die beiden das Kind jetzt mitnehmen dürften, sich später aber herausstellen sollte, dass sie doch nicht die leiblichen Eltern sind. Das Ergebnis der DNS-Analyse wird innerhalb der nächsten zehn Tage erwartet.

"Dieser Fall ist auf der Insel einzigartig", sagt Unicef-Mitarbeiter Geoffrey Keel in Sri Lanka. "Doch er zeigt auf drastische Weise, welchen psychischen Belastungen die Menschen nach der Flut noch immer ausgesetzt sind." Das Trauma sei bei Kindern und Eltern gleichermaßen groß. Viele Erwachsene würden es kaum verkraften, dass sie ihre Kinder nicht in Sicherheit bringen konnten.

Unicef ermittelt derzeit, wie viele Kinder die Flut zu Waisen gemacht hat. Derzeit haben die UN etwa 1000 Jungen und Mädchen auf Sri Lanka registriert, die beide Eltern verloren haben. Doch die Untersuchung ist noch im Gange, und Keel rechnet damit, dass die Zahl noch erheblich steigen wird. "Allerdings ist das Familiennetz auch sehr stark". Fast alle Waisen kämen bei Verwandten unter: "Das ist schon sehr beeindruckend."

© SZ vom 3.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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