Nach Ausbruch aus JVA:Polizei fasst flüchtigen Geiselgangster

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Ein Sondereinsatzkommando überwältigt einen der beiden Ausbrecher aus der JVA Aachen. Sein Komplize aber ist noch immer auf der Flucht.

Dirk Graalmann

Der Zugriff erfolgte am Sonntagmorgen um 11.03 Uhr - er war nur zur Hälfte erfolgreich: Michael Heckhoff, einer der beiden Gewaltverbrecher, die am Donnerstagabend aus der Justizvollzugsanstalt Aachen geflohen waren, wurde von einem Sondereinsatzkommando der Polizei in Mülheim an der Ruhr überwältigt. Sein Komplize, der 46-jährige Peter Paul Michalski, aber war am späten Sonntagabend weiter auf der Flucht.

Der 46-jährige Peter Paul Michalski, der gemeinsam mit dem mittlerweile gefassten Michael Heckhoff am Donnerstag aus der JVA Aachen geflohen war, ist noch immer flüchtig. (Foto: Foto: AP)

"Wir wissen nicht, wie er unterwegs ist", sagte ein Polizeisprecher am Abend. Fahndungsschwerpunkt war Nordrhein-Westfalen, gesucht aber wird inzwischen bundesweit. Die Maßnahmen erinnern teilweise an Zustände wie zu Zeiten der RAF: Polizisten mit Maschinenpistolen und Schutzwesten halten Fahrzeuge an, Einsatzkräfte durchsuchen zudem Züge und Bahnen, da die Ermittler nicht ausschließen, dass Michalski öffentliche Verkehrsmittel benutzt. Auch die Sicherheitsmaßnahmen am Düsseldorfer Flughafen wurden drastisch verstärkt. Der noch flüchtige Mörder gilt als extrem gewaltbereit. Die Polizei appellierte an die Bevölkerung, besonders vorsichtig zu sein und bat die Medien um Rücksicht. "Wir wollen kein zweites Gladbeck", sagte eine Polizeisprecherin mit Verweis auf das Geiseldrama von 1988.

Am Nachmittag hatte die Polizei in Mülheim kurzzeitig eine zweite Person, die dem Gesuchten ähnlich sah, festgesetzt - allerdings handelte es sich dabei nicht um Michalski.Am Vormittag hatte Michalski nach Informationen der Bild-Zeitung versucht, eine Frau als Geisel zu nehmen, war dabei aber von deren Ehemann überrascht worden und geflüchtet. Seither fehlt offenbar eine konkrete Spur, auch wenn zahlreiche Hinweise bei der Polizei eingingen. Die Jagd aber blieb bis zum Abend erfolglos.

"Gegessen, Fernsehen geguckt, geduscht"

Die dramatische Suche nach den beiden Schwerstkriminellen, die wegen Mordes, Mordversuchs und Geiselnahme zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden waren, hatte sich am Wochenende noch einmal zugespitzt. Die beiden Ausbrecher hatten auf ihrer Flucht am Samstagmorgen in Essen ein älteres Ehepaar in ihre Gewalt gebracht. Heckhoff und Michalski drangen dabei um 8 Uhr in deren Haus im Stadtteil Werden ein und verbrachten dort mehrere Stunden. In dieser Zeit, so die Polizei, habe das Duo "gegessen, Fernsehen geguckt, geduscht und sich umgezogen." Einer der beiden Verbrecher habe sogar ein paar Stunden geschlafen.

Die bewaffneten Täter haben die Geschädigten nach Aussagen der Polizei während ihrer Geiselnahme zwar nicht körperlich attackiert, jedoch mit der Waffe bedroht. Gegen 17.30 Uhr ließen sich Heckhoff und Michalski dann von der männlichen Geisel in dessen 5er BMW nach Mülheim fahren. Dort setzten die Täter die Geisel ab - und fuhren unerkannt davon.

Merkwürdig daran: Die beiden Häftlinge suchten nicht die Flucht ins nahe gelegene Ausland, um dem Fahndungsdruck zu entgehen. Der Weg führte sie stattdessen ins nahe gelegene Mülheim, der Heimatstadt von Heckhoff, in der er nach Informationen der Ermittler auch noch private Kontakte unterhält. Am Sonntagmorgen um 10.15 Uhr gaben Passanten den Ermittlern schließlich den entscheidenden Hinweis: Sie hatten das Fahrzeug, nach dem seit Samstagabend öffentlich gefahndet worden war, in einer Seitenstraße nahe der Mülheimer Innenstadt entdeckt. Eine Dreiviertelstunde später konnte Heckhoff in unmittelbarer Nähe von einem Sondereinsatzkommando überwältigt und festgenommen werden. Heckhoff war zu dem Zeitpunkt bewaffnet. Verletzt wurde bei dem Zugriff laut Aussage eines Polizeisprechers aber niemand.

Derweil wurde der Bedienstete der JVA Aachen, der am Freitag unter dem Verdacht der Gefangenenbefreiung festgenommen worden war, in Untersuchungshaft genommen. Dem 40-Jährigen wird nach Aussage des NRW-Justizministeriums vorgeworfen, die beiden Schwerverbrecher "vorsätzlich aus der JVA herausgeschleust und mit schussbereiten Dienstwaffen nebst Munition ausgestattet" zu haben. Michalski und Heckhoff hatten bei ihrem Ausbruch mittels eines Generalschlüssels fünf Sicherheitstüren überwinden können. Der Verdacht gegen den Gefängnis-Bediensteten lässt sich nach Angaben des Düsseldorfer Justizministeriums durch "Auswertung der internen Videoaufzeichnungen" begründen. Der 40-Jährige, der in ein Gefängnis außerhalb von Nordrhein-Westfalen verlegt wurde, schweigt zu den Vorwürfen.

© SZ vom 30.11.2009/abis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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