Mordprozess R.:Das wilde Haus von Heinrichsheim

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Widerliche Details im Fall des angeblich zerstückelten und verfütterten Landwirts lösen Beklemmung im Gerichtssaal aus.

Von Uwe Ritzer

Noch einmal haben ihn die drei Frauen unmittelbar vor Augen, ihren Ehemann und Vater, den sie zusammen mit dem mitangeklagten Freund der älteren Tochter erschlagen, zerstückelt und an die Hunde verfüttert haben sollen.

Völlig verwahrlost: das Haus der Familie R. (Foto: Foto: dpa)

Genau gegenüber der Anklagebank im Sitzungssaal elf des Ingolstädter Landgerichtes hat man eine Leinwand aufgebaut, auf die Fotos aus den polizeilichen Ermittlungsakten projiziert werden.

Das erste zeigt überdimensional groß Rudolf R., den seit der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober 2001 vermissten und nach Überzeugung der Anklage ermordeten Zuerwerbslandwirt aus Heinrichsheim bei Neuburg an der Donau.

Einen Tag lang wie Schlachtvieh zerlegt

Der Anblick des Fotos löst bei seiner Familie nicht die geringste Reaktion aus. Mutter Hermine, 49, und Tochter Andrea, 18, schauen kurz hin. Manuela R., 19, verschanzt sich hinter ihrem dunkelbraunen Haarvorhang und ihr Freund, der mutmaßliche Haupttäter MatthiasE., 21, starrt mit verschränkten Armen auf die Tischplatte vor sich.

Nur sein ständiges Kauen auf den Lippen verrät seine innere Anspannung. Wenige Minuten zuvor, gleich zu Beginn des zweiten Prozesstages, hat Vorsitzender Richter Georg Sitka die vier Angeklagten gefragt, ob sie nicht doch aussagen möchten. Über ihre Verteidiger lehnten sie ab.

Phasenweise wirken Mutter, Töchter und Schwiegersohn in spe, denen erheblich verminderte Intelligenz attestiert wird, seltsam unbeteiligt. Daran ändert sich auch nichts, als die Richter Teile einer früheren Aussage von Matthias E. verlesen, die er inzwischen widerrufen hat.

Im April 2004 hat der arbeitslose Maurer demnach detailliert geschildert, wie er den toten Rudolf R. in einem Kellerraum auf ein Nudelbrett auf einem Tisch gewuchtet und einen Tag lang wie Schlachtvieh zerlegt habe.

Trotz 150.000 Euro Schulden verschwenderisch gelebt

Hermine R. habe die portionierten Teile ihres Ehemannes in blaue Müllsäcke verpackt, "nicht zu viele auf einmal, damit die Säcke nicht reißen". Die Details sind so ekelhaft und widerlich, dass sich überall im Gerichtssaal spürbare Beklemmung breit macht, außer auf der Anklagebank. Kann man aber solch ein Horrorszenario einfach erfinden?

Bis zu einer etwaigen Verurteilung der Beschuldigten hat das Landgericht noch einen langen und mühsamen Weg vor sich. Denn die Anklage stützt sich ganz wesentlich auf inzwischen revidierte Geständnisse der Beschuldigten. Vieles, was der zuständige Chefermittler der Ingolstädter Kripo im Zeugenstand aussagt, ist mit Indizien unterfüttert.

Wie kam Andrea R. an den Autoschlüssel, den Diabetikerausweis und die Geldbörse des Vaters, der doch angeblich von einer Kneipentour gar nicht heimgefahren sein soll? Der Beamte schildert plausibel, warum auf ein freiwilliges Untertauchen oder einen Selbstmord des 52-Jährigen nichts hindeutet.

Er erklärt, wie immer mehr die Familie ins Fadenkreuz der Ermittler geriet, die trotz 150.000 Euro Schulden verschwenderisch gelebt und nichts gearbeitet habe. Wie sich der alte R. einerseits sowie seine Frau und die Töchter andererseits gegenseitig als Belastung empfunden hätten und wie man ständig wüst gestritten habe.

In den Keller mit Atemschutzgerät

In den 2500 Seiten Ermittlungsakten finden sich auch Hinweise auf einen etwaigen sexuellen Missbrauch der Töchter durch den verhassten Vater. Es muss ohnehin wild zugegangen sein in dem Haus am Rande von Heinrichsheim.

Die im Gerichtssaal gezeigten Fotos zeigen eine völlig verwahrloste Wohnung, in der es bestialisch gestunken haben soll, als die Polizei am 13. Januar 2004 um sieben Uhr früh mit 40 Beamten zur Durchsuchung anrückte. Einen Kellerraum konnte man nur mit Atemschutzgerät betreten.

Doch statt der vermuteten Leiche stießen die Beamten auf zwei halb krepierte Schäferhunde im eigenen Dreck, die einstigen Lieblingstiere von Rudolf R. Die Ankläger sind überzeugt, dass frühere Aussagen von Matthias E., aber auch von Rudolf R.s Töchtern, stimmen.

Sie hätten gemeinsam geplant, den Alten aus dem Weg zu räumen, und als er am 13.Oktober um ein Uhr früh angetrunken von der Kneipe nach Hause gekommen sei, habe E. ihn im Treppenhaus mit einem Vierkantholz niedergestreckt.

Dann habe man ihn totgeprügelt, zerstückelt und in den folgenden fünf Tagen an die Hunde verfüttert. Was übrig blieb, habe man über den Misthaufen entsorgt. Nur musste der Kripomann im Zeugenstand auch einräumen, dass die Polizei trotz des angeblichen Gemetzels nicht einmal einen Blutstropfen von Rudolf R. gefunden hat.

Der Garten und ein angrenzender Acker wurden mehrfach umgegraben, aber die gefundenen 131 Knochenstücke stammten allesamt von Tieren.

© SZ vom 14.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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