Mordprozess:Das Rätsel in Zimmer 715

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In einem Kölner Hotel wurde 2005 ein Berliner Prominenten-Fotograf mit einem Baseball-Schläger erschlagen - nun stehen zwei Verdächtige vor Gericht.

Dirk Graalmann

Der Angeklagte Daniel Jan C. hat sich herausgeputzt. Adrett gekleidet, in Bundfaltenhose und blauem Hemd, mit einem weißen Aktenordner unter dem Arm, so wird der 31-Jährige am Dienstagmorgen in den Saal 210 des Kölner Landgerichts geführt. Er steht unter Mordanklage, aus niederen Beweggründen, aus "Hass, Wut und Eifersucht" wie es der Staatsanwalt Stephan Neuheuser formulierte.

Angeklagter: Daniel Jan C. steht unter Mordverdacht. (Foto: Foto: ddp)

Am 20. August 2005 war der renommierte Berliner Fotograf Nikolaus G. im Kölner Hilton-Hotel mit einem Baseball-Schläger getötet worden. "Zwanzig Schläge auf Kopf und Rumpf" wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten C. und seinem mutmaßlichen Komplizen, dem 37-jährigen Serben Agron B., vor. Das Opfer, schwer verletzt durch zahlreiche Brüche, sei einfach verblutet.

An jenem Samstagabend um 19.02 Uhr betritt, so dokumentiert es die Videokamera des Hauses, ein leger gekleideter Mann das Hotel. Es ist der vorletzte Tag des Weltjugendtags in Köln. Papst Benedikt XVI. ist gekommen, in der Stadt ist höchste Sicherheitsstufe angesagt, aus den Hotelzimmern kann man auf den Dom blicken.

Der Mann, laut Anklage als Daniel Jan C. identifiziert, schlendert in die Lobby, über der rechten Schulter trägt er eine Golftasche. Darin, glaubt die Staatsanwaltschaft, habe sich die Mordwaffe befunden. C. bucht das Zimmer 715 auf den Namen Lars Rodenstock. Es ist einer von 29 Alias-Namen, die Staatsanwalt Neuheuser dem Angeklagten zuschreibt. Vom falschen Herrn Rodenstock gibt es nicht einmal Schriftproben. Seinen rechten Arm hat er bandagiert, ein Hotelangestellter füllt das Antragsformular für ihn aus, das Zimmer wird gleich bar bezahlt.

Eine Viertelstunde später betritt ein zweiter Mann das Hotel, es soll sich um den Mitangeklagten Agron B. handeln. Es ist exakt 19.44 Uhr, als dann auch der Fotograf Nikolaus G. das Hotel betritt. Der 37-Jährige ist gut im Geschäft, arbeitet für Geo und Zeit, für Newsweek und das SZ-Magazin; auf seiner Internet-Seite stehen noch immer die Porträtaufnahmen von prominenten Politikern wie Klaus Wowereit oder Gregor Gysi.

Promi-Party als Köder

An diesem Tag reiste G. aus Berlin ins Rheinland, weil er - so die Ermittlungsergebnisse der neunköpfigen MK Foto - mit vermeintlich lukrativen Angeboten geködert worden sei. Er sollte, so wurde berichtet, Kardinal Karl Lehmann fotografieren und dann noch den Manager von Michael Schumacher, Willi Weber, auf einer Promi-Party ablichten. G. selbst äußerte ernste Zweifel an diesem Auftrag. Einer Freundin hinterließ er eine Nachricht auf der Mailbox: Sein Foto-Job werde "immer skurriler", er argwöhnte über "reale Mafia".

Doch in Zimmer 715 erwartete ihn ein vertrautes Gesicht, denn Daniel Jan C. und der Fotograf haben eine gemeinsame Bekannte: Monique K. lebt mit dem Angeklagten zusammen, der derzeit eigentlich in Berlin wegen Betrugs in Haft sitzt, sie hat mit ihm zwei kleine Kinder. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass auch Nikolaus G. eine intime Beziehung zu der Frau unterhielt - ein mögliches Mordmotiv sei deshalb Eifersucht.

Verteidigung spricht von "Abstraf-Aktion"

Die Verteidigung des Hauptangeklagten um den Wuppertaler Rechtsanwalt Tim Geißler bestreitet dies. Der Fotograf habe Monique K., die sich auch als Schauspielerin versuchte, lediglich für ein paar Werbeaufnahmen abgelichtet. Für die Verteidigung stellt sich das Tötungsdelikt vielmehr als "tragischer Tod'' dar: Es sei nur eine "Abstraf-Aktion'' geplant gewesen, so Geißler. Hintergrund sei ein Foto-Auftrag gewesen, der nach Ansicht von Daniel Jan C. nicht ordentlich ausgeführt worden sei, dem gegenüber standen Honorarforderungen von 5000 Euro.

Der Angeklagte C. äußert sich beim Prozessauftakt am Dienstag nicht. Aber er hat geschrieben, 40 handschriftlich gefertigte Seiten werden dem Gericht überlassen. Darin, so die Verteidigung, gestehe der 31-Jährige zwar eine Beteiligung an der Tat. Doch sei er nicht der Täter, vielmehr habe ein "Exzess'" zum Tode des Fotografen geführt. Allein schuldig an der Eskalation sei der Mitangeklagte Agron B.. Der Orthopädiemechaniker aus Stuttgart ist, wie er vor Gericht bekennt, ein ausgebildeter Kampfsportler.

Der Prozess, in dem mehr als 110 Zeugen gehört werden, wird am Donnerstag fortgesetzt. Ein Urteil wird erst für November erwartet.

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