Milchskandal in China:Drama um vergiftete Kinder

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In China sind fast 13.000 Kleinkinder in Krankenhäuser eingeliefert worden, weil sie verseuchte Milch getrunken haben. Nestle hat unterdessen bestätigt, dass auch eines der eigenen Produkte verunreinigt ist.

Wie das chinesische Gesundheitsministerium laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua mitteilte, wurden bislang 12.892 Kinder in Krankenhäuser gebracht, weil sie Milch aus Melamin-verseuchtem Pulver getrunken haben. 104 der Babys seien ernsthaft erkrankt, 1579 seien genesen und wieder nach Hause zurückgekehrt.

Lange Schlangen vor den Krankenhäusern: Besorgte Eltern lassen untersuchen, ob ihre Kinder mit Melamin vergiftet wurden, wie hier in Chongqing. (Foto: Foto: AFP)

Unterdessen hat der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé bestätigt, dass Spuren der giftigen Chemikalie Melamin in einem seiner Produkte in Hongkong gefunden worden seien. Allerdings handele es sich bei der "Dairy Farm Pure Milk" um eine für die Gastronomie bestimmte Milchsorte, die nicht von Kleinkindern getrunken werden sollte, sagte ein Sprecher am Sonntag.

Das Zentrum für Nahrungsmittelsicherheit in Hongkong hatte mitgeteilt, dass ein geringer Rückstand von Melamin in einer Probe nachgewiesen wurde. Das Produkt "Neslac Gold 1+", über dessen angebliche Verseuchung Hongkonger Medien ebenfalls berichtet hatten, hätten die Behörden dagegen als unbedenklich eingestuft, erklärte der Konzernsprecher.

Dort sei kein Melamin festgestellt worden. Er verwies darauf, dass es in Hongkong keine Grenzwerte für die giftige Chemikalie gebe. "Spuren davon findet man aber praktisch immer, wenn auch in so geringen Mengen, dass sie nicht schädlich sind", sagte der Sprecher.

Präsident gibt regionalen Behörden die Schuld

Chinas Präsident Hu Jintao war mit den regionalen Behörden am Wochenende scharf ins Gericht gegangen und hatte ihnen Versagen vorgeworfen. "Einige Funktionäre haben die öffentliche Meinung ignoriert und sich blind gestellt gegenüber der Not der Menschen und sogar gegenüber den wichtigen Belangen, die das Leben der Volksmassen betreffen", zitierte die Zeitung China Daily den Präsidenten. "Die aktuellen Unglücke haben uns eine schmerzhafte Lektion erteilt", sagte Hu bei einem Treffen der Parteispitze.

Ausgelöst worden war der Skandal durch Berichte über den Hersteller Sanlu, der Trockenpulver mit Melamin vermischt hatte, um einen höheren Eiweißgehalt der minderwertigen Milch vorzutäuschen. Die giftige Chemikalie wird in der Industrie als Bindemittel verwendet. Dann wurde auch in Frischmilch der großen Erzeuger Yili, Mengniu und Bright Dairy Melamin gefunden.

Die Regierung entzog den drei Unternehmen das Qualitätssiegel "erstklassige Marke". Darüber hinaus verlangte die chinesische Regierung eine Überprüfung der gesamten Molkerei-Industrie. Lokale Behörden seien aufgefordert, grundlegende Änderungen im Milchmarkt und bei Molkereiprodukten herbeizuführen, heißt es in einem Papier, das der Staatsrat nach der Krisensitzung am Freitag veröffentlichte.

Zugleich soll sichergestellt werden, dass die Bevölkerung mit ausreichend heimischen Produkten versorgt wird, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Samstag. Der Staatsrat versprach, die für den Lebensmittel-Skandal verantwortlichen Hersteller, Kontrollbehörden und Funktionäre zu bestrafen. Das größte Augenmerk sei jedoch auf die Rettung erkrankter Kinder gerichtet. Die Kontrolluntersuchungen in ländlichen Gegenden sollen ausgeweitet werden. Krankenhäuser seien angewiesen, kostenlose Checks und Behandlungen anzubieten.

Der stellvertretende Premierminister Li Keqiang besuchte am Samstag ein Hospital in der nördlichen Provinz Hebei, in dem betroffene Babys behandelt werden. Li habe auch mit Milchbauern und Angestellten eines Supermarktes gesprochen, berichtete Xinhua. Nach Angaben der staatlichen Medien hat ein Regierungsressort allein mehr als 100.000 Beschwerden über verunreinigte Milchprodukte bekommen.

Die philippinische Regierung wies am Samstag die Behörden an, die Einfuhr von verdächtigen Milchlieferungen aus China zu stoppen. In Europa ist nach Angaben der französischen EU-Ratspräsidentschaft noch keine verunreinigte chinesische Milch entdeckt worden.

China habe keine von der EU anerkannten Prüfverfahren für Rückstände und exportiere deshalb keine Milchprodukte in die EU, erklärte das deutsche Verbraucherschutzministerium. Nach dem Willen von Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) sollen die Bundesländer aber ihre Kontrollen verstärken, um möglichen illegalen Importen auf die Spur zu kommen.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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