Mexiko:Illegaler Flüchtling für eine Nacht

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Für 200 Dollar kann man im Parque Alberto in Mexiko eine illegale Flucht in die USA nachspielen. Verfolgungsjagden mit Pfefferspray und Gummigeschossen sind im Preis inbegriffen.

Juan Moreno

Der Parque Alberto liegt etwa 170 Kilometer nördlich von Mexiko-City, im Bundesstaat Hidalgo. Die Attraktion des Naturparks ist die Wanderung "Burla la Migra", was übersetzt "Verspottung der Flucht" bedeutet. Für 200 Dollar können Mexikaner in einer Nachtwanderung nachspielen, wie es ist, illegal in die USA einzureisen. Zum Einsatz kommen unter anderem Verfolgungsjagden mit Jeeps, Gummigeschossen und Pfefferspray. Ein Anruf bei Poncho, Führer im Parque Alberto.

Im Park wird Flucht gespielt, nahe Laredo ist die echte Todeszone. (Foto: Foto: ap)

SZ: Was genau macht man während dieser Flucht in Ihrem Park?

Poncho: Wir nennen es nicht Flucht, wir nennen es Nachtwanderung. Dabei wird versucht, einen Eindruck von dem zu vermitteln, was viele unserer Landsleute durchleben, wenn sie in die USA auswandern. Zu der Wanderung gehört, dass man sich bei völliger Dunkelheit einen Abhang hinunterseilt, dass man durch Flüsse läuft, durch Höhlen kriecht oder über Kakteenfelder rennt.

SZ: Und Sie verfolgen die Leute?

Poncho: Wir versuchen die Realität zu simulieren. Aber niemand sollte glauben, dass er weiß, was ein Mexikaner erlebt, der in die USA flieht. Was wir hier machen, ist zehn Prozent, von dem, was viele wirklich durchleiden.

SZ: Sie setzen Pfefferspray und Gummigeschosse ein.

Poncho: Es wird niemand verletzt, darauf achten wir, aber es ist auch kein Spaziergang, sondern eine körperliche Herausforderungen. Manche sehr disziplinierte Gruppen brauchen nur ein paar Stunden für den Kurs, andere die ganze Nacht. In Mexiko hat man uns vorgeworfen, wir würde Leute auf die Flucht vorbereiten. Das ist Unsinn.

SZ: Wie kamen Sie auf die Idee?

Poncho: Unsere Gemeinde Ixmiquilpan hat im Laufe der Jahre 90 Prozent ihrer Einwohner verloren. Nach und nach waren alle in die USA gegangen. Es gab hier einfach nichts, womit die Leute Geld verdienen konnten. Wir musste eine Lebensgrundlage aufbauen, den Park.

SZ: Was ist mit der Regierung?

Poncho: Die hat uns immer wieder versprochen, dass sie etwas tun will. Einen Dreck haben die gemacht. Es gab Erklärungen, Pläne, Versprechen, passiert ist nichts. Wir musste es selbst tun.

SZ: Wie läuft es?

Poncho: Gut. Am Anfang kamen zehn, zwölf Leute die Woche in den Park. Mittlerweile sind es 700. Sie machen nicht alle bei der Wanderung mit. Manche wollen nur unsere schöne Natur genießen, andere haben von unserem Projekt gehört und wollen uns unterstützen. Mittlerweile kommen immer mehr ehemalige Bewohner zurück und versuchen, eine Existenz aufzubauen. Wir haben am 31. Juli 2004 mit dem Projekt angefangen, mittlerweile sind wir bei 70 Prozent der alten Bevölkerungszahl.

SZ: Stimmt es, dass die Wanderung in einem Tunnel endet?

Poncho: Ja, man kriecht durch einen Tunnel, an dessen Ende ein Licht ist. Wenn Sie am Licht sind, haben Sie es geschafft. Dann sind Sie in den Vereinigten Staaten.

© SZ vom 10.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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