Melamin-Skandal in China:Der Preis des Schweigens

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China will sich durch Zahlungen an die Opfer des Melamin-Skandals offenbar deren Schweigen erkaufen. Geben die dennoch keine Ruhe, greift das Regime zu drastischen Maßnahmen.

China will bei der Aufarbeitung des Skandals um verseuchte Milchprodukte anscheinend jeglichen Dissens vermeiden. Der Vater eines durch verseuchte Milch erkrankten Kindes wurde unmittelbar vor einer Pressekonferenz festgenommen, bei der die Betroffenen höhere Entschädigungszahlungen fordern wollten, teilte ein Anwalt am Freitag mit. "Es ging darum, die Pressekonferenz zu verhindern", sagte Anwalt Li Fangping, nachdem der Organisator Zhao Lianhai am Vortag festgenommen worden war.

Unter Tränen bittet diese Mutter eines erkrankten Babys um Hilfe - sie will, dass die Langzeitwirkung von Melamin untersucht wird. (Foto: Foto: AFP)

Einige seien in ein Arbeitslager in einem Vorort von Peking gebracht worden. "Wir stehen jetzt unter Hausarrest, und sie haben uns keine Gründe dafür genannt, warum sie uns hier festhielten", sagte der Vater, dessen 13-monatiger Sohn schwer erkrankt ist, der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon.

Milchunternehmen haben in dieser Woche nach Berichten staatlicher Medien einen Entschädigungsplan in Höhe von 1,1 Milliarden Yuan (116 Millionen Euro) vorgelegt. Die Verseuchung der Milch mit der Chemikalie Melamin wird für den Tod von mindestens sechs Babys und die Erkrankung von rund 300.000 Kindern an Nierenleiden verantwortlich gemacht. Die Produzenten hatten der Milch Melamin zugefügt, um einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen und damit die Gewinnmarge zu steigern.

Familien, deren Kind gestorben ist, sollen demnach 200.000 Yuan (21.000 Euro) erhalten. Angehörige von Kindern, die wegen Nierensteinen schwer krank waren, sollen 30.000 Yuan (3.100 Euro) bekommen. Weniger schwere Fälle sollen nur mit 2.000 Yuan (210 Euro) entschädigt werden. Angehörige erklärten jedoch, dass die Entschädigungen teils kaum die Auslagen für die medizinische Behandlung deckten.

Eltern von Melamin-Opfern bitten um Hilfe

Unterdessen haben Eltern von Opfern des Skandals um verseuchtes Milchpulver unter Tränen um Hilfe gebeten. Es sei noch nicht erforscht, wie sich der Zusatz der Chemikalie Melamin auswirke, sagte Jiang Yalin, deren Kind melaminverseuchte Babymilch getrunken hatte, bei einer improvisierten Pressekonferenz in Peking. Sie und andere Eltern forderten, die Langzeitfolgen des Melamin-Konsums auf die Gesundheit zu untersuchen.

"Wir wollen wissen, wieviel Schaden Melamin anrichten kann", sagte die 33-jährige Jiang. Sie wollten kein Geld, versicherte die weinende Mutter: "Kein Geld der Welt kann mir die Gesundheit meines Kindes zurückkaufen." Sie mache sich Sorgen darum, welche Gesundheitsschäden ihre Tochter in zehn Jahren durch die verseuchte Milch haben werde.

Die Eltern von Kindern, die durch Milchprodukte mit Melamin erkrankt waren, sprachen auf einer Straße, nachdem ein Hotel ihnen ihre geplante Pressekonferenz verboten hatte. Drei Streifenwagen der Polizei waren vor Ort, Zivilbeamten filmten den Auftritt der Eltern vor ausländischen und chinesischen Journalisten.

Fünf weitere betroffene Eltern wurden derweil nach eigenen Angaben festgenommen. Sie seien am Vorabend der geplanten Pressekonferenz in Gewahrsam genommen worden, berichtete der Sprecher der Gruppe, Zhao Lianhai, per Handy.

© AP/Reuters/AFP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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