Medikamentendepot:Apotheke im Zahn

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Ein internationales Forscherteam hat ein Medikamentenreservoir für den Backenzahn entwickelt. Die Zahnprothese "IntelliDrug" entlässt Medikamente automatisch an die Mundschleimhaut ihres Trägers - schwierig gestaltet sich aber die Dosierung.

Nora Eichinger

Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik in St. Ingbert entwickelte die Sensoren und die Elektronik für das dosierende Implantat.

Ihm hätte ein starkes Beruhigungsmittel per IntelliDrug gut getan. Ein Platz hätte sich in diesem Gebiss sicher gefunden: Jack Torrance in der Kubrick-Verfilmung "The Shining", verkörpert von Jack Nicholson. (Foto: Foto: AP)

Über eine Membran gelangt Speichel in das Reservoir und löst einen Teil des festen Medikaments, welches durch einen kleinen Kanal in den Mundraum fließt. Zwei Sensoren überwachen dabei die Menge des gelösten Wirkstoffs und steuern ein Ventil.

Der Arzt stellt über eine Fernbedienung die Dosis ein und kann das Medikamentendepot im Zahn bei Bedarf auffüllen oder warten. "Ein großer Vorteil besteht darin, dass Sie das System permanent im Körper tragen können, es aber jederzeit über den Mundraum zugänglich ist", sagt Oliver Scholz vom Fraunhofer-Institut.

Tests mit Drogenabhängigen

Das unterscheidet IntelliDrug von vergleichbaren Implantaten. Bei chronisch Kranken, besonders aber auch bei Drogenabhängigen oder Alzheimerpatienten soll diese Technik die Verabreichung von Medikamenten erleichtern.

In diesem Jahr werden klinische Studien mit dem Medikament Naltrexon durchgeführt. Der Wirkstoff blockiert für Drogen empfängliche Rezeptoren im Gehirn und sorgt dafür, dass im Fall des Drogenkonsums das Gefühl der Euphorie ausbleibt.

Die Abbruchrate unter den Abhängigen während der Therapie ist hoch. Mit IntelliDrug nehmen die Drogenabhängigen Naltrexon quasi unter Aufsicht des intelligenten Backenzahns, sagt Oliver Scholz. Die klinischen Studien und neue Versuche im Labor müssen allerdings erst zeigen, ob die Technik hält, was sie verspricht.

Künftig nur noch ein Zahn nötig

Besonders unerwünscht wäre eine Über- oder Unterdosierung des Medikaments oder sogar die Abgabe der gesamten Menge an den Körper. "Obwohl natürlich erhebliche Vorsichtsmaßnahmen dagegen ergriffen wurden, besteht diese Gefahr theoretisch", räumt Oliver Scholz ein.

Die Tests werden deshalb mit Mengen des Medikaments durchgeführt, die nicht gefährlich werden können. Ein Nachteil dieser Technik ist noch der verhältnismäßig große Platzbedarf von zwei Backenzähnen - einer soll in Zukunft genügen.

© SZ vom 13.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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