Medien:"Wir wollten die Hochfrisur von der Bardot"

Lesezeit: 5 min

Von Elvis Presley über Madonna bis zu Tokio Hotel: Leserinnen aus drei Generationen diskutieren über 50 Jahre "Bravo" und finden Gemeinsmakeiten und Unterschiede.

Paulina Fried ist zwölf, Aleksandra Stojmenovic 41 und Renate Heissig bereits über sechzig. Drei Generationen von Elvis bis Tokio Hotel und ganz unterschiedliche Erfahrungen, wie das ist, jung zu sein. Es gibt aber so etwas wie den kleinsten gemeinsamen Nenner: Alle drei haben die Bravo gelesen. Die SZ sprach mit ihnen über das Heft, das nun 50 Jahre alt wird - und sich in dieser Zeit ganz schön verändert hat.

Die erste Nummer der "Bravo" vom 26. August 1956 (Foto: Foto: AP)

SZ: Vor uns liegt die aktuelle Ausgabe der Bravo - wie findet ihr sie?

Renate: Ich muss sagen, das ist ein ganz anderes Heft als früher. In den Anfangsjahren, als ich die Bravo gelesen habe, war sie ja fast eine reine Filmzeitung. Eine Popszene gab es noch nicht, da wurde vor allem über Filmstars und Kino geschrieben.

Paulina: Ich finde die Ausgabe cool. Als Extra waren diesmal Tattoos von verschiedenen Bands beigelegt, auch von LaFee, und die finde ich richtig gut. Renate: Die kenne ich gar nicht.

Paulina: Das ist eine Sängerin.

Aleksandra: Mir kommt die Bravo heute vor wie eine Mischung aus Gala und Aufklärungsheft. Aber das war bei mir Anfang der achtziger Jahre wohl auch schon so. Ich erinnere mich, dass ich mich damals brennend für die Foto-Fortsetzungs-Liebesgeschichten interessiert habe. Und für den Starschnitt, und natürlich für Dr. Sommer.

Renate: Den gab es zu meiner Zeit ja noch nicht. Wäre auch unmöglich gewesen in den Fünfzigern, solche Themen. Hier zum Beispiel, Fotos von nackten jungen Menschen - damals war schon eine Frau mit freiem Busen ein Skandal. Wir waren mit 19 so weit aufgeklärt, wie es heute die Zwölfjährigen sind.

SZ: Was sagt die Zwölfjährige dazu?

Paulina: Ich lese Dr. Sommer nur manchmal.

SZ: Warum?

Paulina: Ich finde das eben ein bisschen eklig, diese Nacktfotos. Ich schau' mir das gar nicht so an. Ich interessier' mich mehr für die Stars, was die anziehen und so.

Aleksandra: Also, ich habe die Aufklärungsseiten damals schon mit Neugierde gelesen, auch wenn ich mich in diesen Fragen an Dr. Sommer nicht unbedingt wiedergefunden habe.

Renate: Die sind vielleicht wichtig für Kinder, bei denen zu Hause nicht drüber gesprochen wird. Bei meinen eigenen Kindern hat sich die Aufklärung eigentlich nebenbei abgespielt, ich musste nur die Fragen beantworten, die sie hatten. Ich möchte natürlich nicht, dass die Kinder heute so prüde aufwachsen wie wir. Aber es muss doch auch nicht immer gleich so ins Extrem gehen wie hier.

SZ: Paulina, fühlst du dich von diesem offensiven Umgang mit Sex unter Druck gesetzt? Haben deine Freundinnen und du das Gefühl, ihr müsst das auch alles gleich ausprobieren?

Paulina: Naja, uns interessiert das einfach nicht so. Ich will das auch nicht so früh.

Aleksandra: In dem Alter war ich auch noch nicht so weit. Bei uns hatten die ersten Mädchen mit 14 mal einen Freund, da wurde man dann zum ersten Mal neugierig auf diese Themen.

Paulina: Interessanter finde ich zum Beispiel die Aktion "Bravo-Stars gegen Gewalt an der Schule". Wenn das Stars sind, die da mitmachen, und nicht irgendwelche Leute, dann bringt das auch mehr. Ich lese auch immer die Artikel über Tierversuche, wie schrecklich das ist. Aber leider bin ich zu faul, was dagegen zu machen.

SZ: Tauscht man die Bravo eigentlich mit den Freundinnen?

Paulina: Meine Freundin Laura kauft sie ziemlich oft, und dann tauschen wir die schon oft untereinander aus. Oder lesen sie zusammen.

Aleksandra: Auf die Fortsetzung der Fotostory haben wir immer sehr gewartet, aber weitergegeben habe ich die Bravo eigentlich nicht. Ich fand die auch ganz schön teuer - ich musste die von meinem Taschengeld bezahlen.

Renate: Ich auch, damals hat sie fünfzig Pfennig gekostet, genau so viel wie der Eintritt ins Kino. Ich hatte eine Mark Taschengeld, und jede Woche habe ich davon also eine Bravo gekauft und bin ein Mal ins Kino gegangen. Wir haben ja sehr nach Hollywood geschielt damals.

Aleksandra: Genau wie heute.

Renate: Ich weiß noch, als der Elvis nach Europa gekommen ist: Es war das erste Mal, dass die Teenies gekreischt haben. Da hat das alles angefangen. Die Stars für uns waren Marilyn Monroe, Liz Taylor, Marlon Brando und Frank Sinatra. Und vielleicht noch der Peter Kraus. Die kamen alle in der Bravo vor.

Aleksandra: Ich kann mich an Leif Garrett erinnern, das war ein sehr angesagter kalifornischer Beach Boy bei uns damals. Den gab's natürlich auch als Starschnitt und, und der hing dann bei meinen Freundinnen überm Bett. Ich selbst habe so einen Starschnitt nie zu Ende gekriegt, das ging ja über Wochen.

Renate: Ich hab' aber damals auch über Wochen bei dem ersten Preisausschreiben der Bravo mitgemacht. Irgendwann habe ich die Zeitung aufgeschlagen und meinen Namen gelesen - ich hatte tatsächlich die Reise nach Paris gewonnen! Ich war 17, und mein Vater hat gesagt: Unmöglich, du fährst nicht alleine nach Paris. Da liefen die Tränen. Aber meine Mutter hat ihn bearbeitet, und ich durfte doch fliegen.

Bekannt über die Generationsgrenze hinweg: Tokio Hotel (Foto: Foto: ddp)

Das war ein herrliches Erlebnis, wir sind mit den Bravo-Leuten in Nachtclubs gegangen. Und wir haben Brigitte Bardot treffen dürfen - der andere Preisträger, ein junger Mann, durfte sie sogar küssen! Die war ein Riesenstar. Von den Leuten, die heute im Heft drin sind, kenne ich keinen.

Aleksandra: Ich lese auch sonst Society Magazine, deswegen kenne ich ein paar Gesichter. Und hier: Tokio Hotel auf dem Titel. Die sind mir bekannt.

Paulina: Die mag ich eigentlich gar nicht gerne. Überall steht ja, dass die so viele Fans hätten, aber bei mir in der Klasse gibt es nur wenige. Früher fand ich auch Britney Spears gut, aber jetzt nicht mehr, irgendwie hat sie sich verändert und ist nicht mehr so sympathisch.

SZ: Wie sieht es denn mit Style-Fragen aus - konnte man sich von den Stars in der Bravo was abgucken?

Aleksandra: Madonna war für uns damals schon ein Modevorbild. Als die mit ihrem Secondhand-Look ankam, haben wir die Flohmärkte gestürmt.

Renate: Wir haben uns da eher an der Loren und Frau Monroe orientiert und uns schlimm überschminkt. Und alle wollten so eine Hochfrisur haben wie die Bardot. Mit meinen dünnen Haaren hat das aber leider nie geklappt.

Paulina: Ich möchte nicht alles nachmachen, was die Leute in Bravo so anhaben. Aber manche Sachen, die ich gut finde, zieh' ich dann schon an.

SZ: Die Gimmicks - Aufklebe-Tattoos, Make-up, Schmuck: Sind die ausschlaggebend, damit du das Heft kaufst?

Paulina: Sicher nicht unwichtig. Ich guck' schon auf die Extras. Wenn eine Kette von Tokio Hotel dabei ist, schenk ich die halt meiner Freundin.

SZ: Ist es gut und wichtig, dass es die Bravo gibt?

Renate: Also, für uns damals war es schon wichtig. Weil es die erste Zeitung war, die es gab für junge Leute.

Paulina: Ich find' die eigentlich auch gut. Aber ich lese auch andere Zeitschriften, vor allem die Bravo Girl - je nachdem halt, was da für Themen drin sind.

Aleksandra: Das Heft hat auch eine ganz eigene Sprache geprägt. Ich hab' mich zum Beispiel früher immer gewundert, was das Wort "Tschilikke" bedeutete. Bis ich irgendwann draufgekommen bin, dass es Clique heißt! Für junge Leute hat die Bravo eine absolute Daseinsberechtigung. Meine Tochter ist mit sechs Jahren allerdings noch zu jung dafür.

SZ: Soll die auch mal Bravo lesen?

Aleksandra: Klar. Also, ich hoffe es.

Interview: Tanja Rest, Max Scharnigg

© SZ vom 26.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: