Marokko:Bigott im Auto

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Sie predigten Moral, dann wurden sie in eindeutiger Pose erwischt: Ein Professor und eine Predigerin müssen vor Gericht.

Von Moritz Baumstieger

Wenn Omar Benhamad und Fatima Najjar bisher von einem Gericht sprachen, dann war meistens das Gericht Gottes gemeint. Dort gebe es harte Strafen für jene, die Unzucht begehen oder auch nur mit ihr liebäugeln, das betonten die beiden bisherigen Vizechefs von Marokkos "Bewegung für Einheit und Reform" immer wieder. Diese Vereinigung steht der marokkanischen Regierungspartei nahe, die als gemäßigt islamistisch gilt. Den Professor für religiöse Studien und die Predigerin kann man aber getrost als ultrakonservativ beschreiben: Benhamad erklärte in einem islamischen Rechtsgutachten den Austausch von Liebesbekundungen auf Facebook zur Sünde, Najjar, die ihre schneidende Stimme gerne für Moralpredigten erhebt, setzte schon das Lächeln einer Frau auf offener Straße mit "dem Geschlechtsakt" gleich.

Mittlerweile müssen sich Benhamad und Najjar aber mit ganz weltlichen Gerichten beschäftigen - und sogar vor einem sprechen. Ende August nämlich fiel einer Polizeistreife an einem Strand nahe Casablanca ein verdächtiges Auto auf. Darin befanden sich der verheiratete siebenfache Familienvater Benhamad und die verwitwete sechsfache Mutter Najjar in ziemlich verdächtiger Pose. Die Rechtsprechung in Marokko fußt auf den koranischen Geboten, deshalb ist außerehelicher Geschlechtsverkehr strafbar. Und obwohl Benhamad und Najjar bisher fundamentalistischere Positionen vertraten, dürften sie nun froh sein, dass das Rechtssystem des Königreichs deutlich milder ist, als es Scharia-Fanatiker fordern: Eine Steinigung droht nicht, das oberste Strafmaß liegt bei bis zu zwei Jahren Haft.

Die säkularen Kräfte in Marokko können ihre klammheimliche Freude nicht verhehlen, dass ausgerechnet zwei der größten Moralapostel des Landes der Bigotterie überführt wurden. "Das ist der ultimative Beweis, dass es einen Gott gibt", kommentierte etwa ein Nutzer bei Twitter, "und dass er nicht so ist, wie ihr uns immer einreden wollt." Der marokkanische Ministerpräsident Abdelilah Benkirane hingegen dürfte weniger begeistert sein von dem Vorfall: Nächsten Monat wird in Marokko ein neues Parlament gewählt, und Benkirane zählte einst zu den Gründern der Bewegung für "Einheit und Reform", die den beiden Liebenden mittlerweile ihre Posten entzog.

In die ohnehin aufgeregte Stimmung platzte nun ein Video, das einen 52-jährigen Imam in der Stadt Fes beim Ehebruch zeigt. Aufgezeichnet vom gehörnten Ehemann, ausgerechnet in einer Moschee. Abgesehen von Schadenfreude haben beide Fälle auch eine politische Debatte befördert: Stimmen aus der Opposition fordern, die Ehebruchsparagrafen doch endlich abzuschaffen. Und vielleicht wird in Marokko bald auch wieder über die immer noch legale Vielehe diskutiert: Omar Benhamad gab beim Prozessauftakt an, dass er Fatima Najjar zur Zweitfrau nehmen wolle - und die Ehe quasi schon einmal präventiv vollzogen habe.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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