Mailands Chinatown:Knöllchen und Denkzettel

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In Mailand bekriegen sich Polizisten und chinesische Einwanderer. Der Streit scheint immer mehr zu eskalieren.

Henning Klüver

Solche Szenen spielten sich in Mailand zuletzt nur in unmittelbarer Nähe des San Siro-Stadions nach einem Fußballspiel ab: Zusammenstöße zwischen Polizisten und einer johlenden Menge, Schlagstöcke auf der einen, Flaschenhagel auf der anderen Seite. Verletzte, die blutend am Boden liegen.

Mit Schlagstöcken geht die Polizei in Mailand gegen die chinesischen Einwanderer vor. (Foto: Foto: Reuters)

Dazu das Sirenenkonzert der Einsatzwagen. Doch am Donnerstag konnte man solche Bilder auch am nördlichen Rande der Innenstadt in einem Straßendreieck beobachten, das in Mailand jeder Chinatown nennt. Traurige Bilanz der stundenlangen Schlacht: 14 Polizisten und sieben chinesische Einwanderer wurden verletzt in Krankenhäuser gebracht. Zwei Streifenwagen waren zerbeult, Autos wurden umgeworfen, und unzählige Fensterscheiben gingen zu Bruch.

Der Anlass war nichtig: ein Strafzettel für eine chinesische Frau wegen Parkens in zweiter Reihe. Doch im Viertel zwischen der Via Bramante und der Via Paolo Sarpi gärt es seit langem. In den vergangenen Jahrzehnten sind hier immer mehr Chinesen zugewandert.

Etwa 13.000 sind heute offiziell in Mailand gemeldet, nach Schätzungen leben bis zu 8000 weitere Einwanderer illegal in der Stadt. Mailand ist neben Paris und London eines der Zentren der chinesischen Einwanderung in Europa. Sogar eine eigene Tageszeitung gibt die chinesische Gemeinschaft in der lombardischen Metropole heraus.

In Mailands Chinatown haben sich zudem etwa 450 Importfirmen für Billigwaren aus Fernost angesiedelt. Arbeitsbedingungen und Geschäftsgebaren in dem Viertel geraten oft ins Visier der Ermittler. Die Polizei beklagte mehrfach schon den "rechtsfreien Raum", der sich rund um die Via Paolo Sarpi aufgetan habe.

Und die nur noch wenigen italienischen Einwohner protestieren seit Monaten mit orangefarbenen Tüchern für mehr Legalität in einem Viertel, von dem sie beklagen, dass sie sich heute dort fremd fühlen.

Aber auch die Chinesen fühlen sich bedroht. Seit einiger Zeit hat die Verkehrspolizei begonnen, peinlich genau die Einhaltung der Straßen-verkehrsordnung zu kontrollieren: Falschparken ahndet sie ebenso strikt wie den An- und Abtransport von Waren außerhalb erlaubter Fristen.

Wobei nicht selten die Fahrzeugpapiere der Betroffenen einbehalten wurden, was für diese meist einen Einkommensverlust, wenn nicht sogar eine Existenzbedrohung darstellt. Auch denkt die Stadt daran, die Via Paolo Sarpi zur Fußgängerzone zu machen, was den Handel der Chinesen noch mehr erschweren würde. Viele im Viertel empfinden das als Schikane.

Im Rathaus vermutet man daher, dass die wütende Reaktion am Donnerstag vom militanten Flügel der Gemeinschaft schon länger vorbereitet gewesen war. So arteten die lautstarken Auseinandersetzungen zwischen der chinesischen Falschparkerin und der Streife der Verkehrspolizei, die nach Verstärkung rief, schnell in eine Straßenschlacht aus.

Zur Unterstützung gegen die heranrückenden Einsatzkräfte stürmten Hunderte Einwanderer aus den umliegenden Häusern auf die Straße. Einige von ihnen schwenkten rote Fahnen der Volksrepublik China. Anführer organisierten mit Megaphonen die wütende Menge. Als endlich Ruhe eingekehrt war, bildete sich ein Demonstrationszug, der aber nicht in die City ziehen durfte.

Der chinesische Generalkonsul in Mailand, Zhang Liming, bezichtigte die Polizei bereits eines überzogen harten Einsatzes. Dem stellvertretenden Bürgermeister von der rechtsgerichteten Alleanza Nazionale warf er "systematische Klimavergiftung" vor.

Auf der anderen Seite zeigte sich Bürgermeisterin Letizia Moratti (Forza Italia) entsetzt über die Gewalt im Viertel: "14 verletzte Polizisten wegen eines Strafzettels, das ist absurd." Sie kündigte einen harten Kurs an. Moderatere Stimmen warnen nun von einer "Logik des Zusammenstoßes". Ohne Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten werde der Konflikt nicht zu lösen sein.

© SZ vom 14.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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