Madonna auf Tour:Ihr könnt mich mal!

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Die entblößte Brust einer 17-Jährigen, ein Sturz vom Dreirad: Die Welt-Tour von Madonna endet mit seltsamen Auftritten. Alles kaum der Rede wert - wäre da nicht dieser Sorgerechtsstreit um ihren Sohn.

Von Christoph Dorner

Auf der Bühne tanzt Madonna nicht mehr ganz so verbissen wie vor ein paar Jahren, als sie den Anschein erwecken wollte, sie wäre immer noch das "Material Girl" aus dem Jahr 1984. Auf Tour absolviert sie trotzdem jeden Abend ein beeindruckendes, zweistündiges Power-Aerobic-Programm. Sie singt die alten Hits und die etwas zu schrillen Songs ihres aktuellen Albums "Rebel Heart", das sich so schlecht verkauft hat wie keines ihrer Alben in den letzten 20 Jahren. Nun kann sich eine "Queen of Pop" nicht lange mit den Verkaufszahlen von Tonträgern aufhalten. Mit 57 Jahren geht es bei Madonna schon lange vor allem darum, ihr Vermächtnis zu verteidigen.

Es hatte sich eigentlich ganz gut angelassen zwischen der alternden Königin und ihrem nicht mehr ganz so begeisterten Volk. Nach den fünf Deutschland-Konzerten im November waren die Kritiken überwiegend positiv gewesen, auch wenn Madonnas bombastische Bühnenshow mit den üblichen Elementen aus Sex, Religion und Martial Arts ihrem Werk nichts Neues hinzuzufügen hatte. Ihr Gespür für den großen Auftritt und die kleine Volte hat sie dagegen nie verlassen.

In Paris sang Madonna vier Wochen nach den Terroranschlägen auf dem Place de la République spontan "Imagine" von John Lennon, in Manila besuchte sie kürzlich wie schon häufiger Waisenkinder. Der Abschluss ihrer nicht ganz ausverkauften Welt-Tournee, bei der Madonna aber erneut weit über 100 Millionen Dollar verdient haben soll, führte die Musikerin nun im März nach Neuseeland und Australien. Glaubt man dem eher wenig zimperlichen Teil des internationalen Boulevards, müssen die acht Konzerte in Down Under ein absolutes Desaster gewesen sein, weil Madonna eben nicht nur eine eiserne Performance-Künstlerin ist, sondern auch eine Mutter, die offensichtlich unter der Trennung von ihren Kindern leidet.

Provokation ist ihr Business: Die Sängerin Madonna, auch schon 57 Jahre alt. (Foto: Franck Robichon/dpa)

Gleich zu Beginn, in Auckland, verrutschte Madonna bei der Ansage die Stimme, als sie auf der Bühne auf ihren Sohn Rocco zu sprechen kam. Erst drei Tage zuvor hatte sie einen Sorgerechtsstreit um den 15-jährigen Jungen gegen ihren Ex-Mann Guy Ritchie vorläufig verloren. Rocco darf bei seinem Vater in Großbritannien bleiben, nachdem er den Tour-Tross Ende Dezember angeblich im Streit mit der strengen Mutter verlassen hatte. Sie soll ihm das Telefon weggenommen haben, weil er sich nicht genug um seine Schularbeiten gekümmert hatte. Einige Online-Medien schrieben sogleich von einem tränenreichen Zusammenbruch Madonnas auf der Bühne. Das war zwar himmelschreiend übertrieben, doch schon war es geschrieben, das Drehbuch für die virale Demontage eines Popstars, dem sein Privatleben zu entgleiten schien.

Und was tat Madonna? Sie spielte einfach mit. In Brisbane holte sie ein 17-jähriges Mädchen auf die Bühne, sagte ein paar Anzüglichkeiten und entblößte die Brust der jungen Frau. In Melbourne ließ sie 1500 Fanclub-Mitglieder vier Stunden im Regen auf ein kostenloses Konzert warten. Weit nach Mitternacht tauchte sie im rosa Clowns-Kostüm auf und sang Akustikversionen von weniger bekannten Songs. Dann fiel sie von einem Kinderdreirad, eine Flasche Schnaps in der Hand. Sofort wurden Alkoholprobleme kolportiert. Madonna, ein trauriger Clown? "Ihre Skandale nehmen kein Ende", seufzte die Gala. Nur noch peinlich, diese Frau, schrieben Menschen bei Facebook, die bei keinem der Konzerte gewesen waren.

Doch Madonna wäre nicht Madonna, wenn sie nicht längst zum verbalen Gegenangriff übergegangen wäre. Eine sexistische Grundhaltung in der Gesellschaft sei einmal mehr verantwortlich für die Hysterie um ihre Person, schrieb sie auf Instagram. "Wir werden nicht nur ungleich bezahlt, sondern werden immer noch wie Ketzer behandelt, wenn wir aus der Reihe tanzen oder querdenken." Ihr Auftritt im Clowns-Kostüm sei Schauspielerei gewesen, schreibt Madonna weiter. "Ich könnte niemals bei einer meiner Shows high oder betrunken sein."

Guy Ritchie, 47, Ex-Mann von Madonna, mit dem gemeinsamen Sohn Rocco Ritchie, 15. (Foto: FilmMagic/Getty Images)

In den Neunzigerjahren hatte Madonna mit einem Bildband mit erotischen Fotografien noch für einen gut geplanten Skandal gesorgt. Dafür, dass sie der minderjährigen Konzertbesucherin plump das Oberteil vom Körper zog, entschuldigte sich Madonna noch auf der Bühne in Brisbane. "Tut mir leid, sexuelle Belästigung. Du kannst das Gleiche mit mir machen", stammelte sie. Das Mädchen soll ihr mittlerweile vergeben haben. Dass Madonna ihre Fans gerne warten lässt, ist ebenfalls nichts Neues. Als sie im Sommer 2012 ein Konzert in Berlin spielte, ließ sie sich so lange bitten, bis das EM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien abgepfiffen wurde. Viele Fans hatten vorher ihre Konzerttickets zu Schleuderpreisen verhökert, weil sie lieber das Fußballspiel sehen wollten.

Madonna jedenfalls postete nun nach den Unmutsäußerungen einiger australischer Fans die Nachricht: "Eine Königin ist nie zu spät. Ihr seid nur zu früh dran."

Alles halb so wild also? Nicht ganz. Denn im Sorgerechtsstreit mit ihrem Ex-Mann, dem englischen Regisseur Guy Ritchie, hat sich Madonna am Montag vor einem Londoner Gericht erneut nicht einigen können. Der Richter rief die abwesenden Eltern dazu auf, den Streit um den Sohn rasch beizulegen. Es wäre eine "Tragödie", wenn der Junge weiter darunter zu leiden hätte, sagte Alistair MacDonald. "Ich bekräftige ein letztes Mal meine Bitte an die Eltern, eine einvernehmliche Lösung in ihrem Streit zu finden." Auch in New York, wo ebenfalls verhandelt wird, hat kürzlich ein Gericht auf eine rasche Verständigung der Eltern gedrungen. Bis dahin solle Rocco weiter eine Schule in London besuchen und bei seinem Vater wohnen.

Aus der Beziehung mit dem kubanischen Fitness-Trainer Carlos Leon hat Madonna eine 19-jährige Tochter. Außerdem hat sie 2008 und 2009 zwei Waisenkinder aus dem afrikanischen Malawi adoptiert. Unter ein Kinderfoto von Rocco schrieb Madonna zuletzt vor vier Wochen bei Instagram: "Ich vermisse diesen Jungen."

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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