Lungenseuche:Ansteckungsgefahr durch SARS größer als angenommen

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Nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation kann der Erreger bei Zimmertemperatur mehr als 24 Stunden überleben. In China breitet sich die Seuche weiter aus.

Die Ansteckungsgefahr durch das SARS-Virus ist noch größer als bislang angenommen. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Demnach kann der Erreger der lebensgefährlichen Lungenkrankheit nicht nur von Mensch zu Mensch übertragen werden, sondern überlebt bei Zimmertemperatur auf Plastikoberflächen mehr als 24 Stunden. Das zeigt eine am Montag veröffentlichte Studie der Gesundheitsorganisation.

Stärker und widerstandsfähiger als andere Viren

Die WHO-Studie zeigt ferner, dass sich der SARS-Erreger im menschlichen Stuhl bis zu vier Tage halten kann. Das Virus sei wesentlich stärker und widerstandsfähiger als andere Viren der gleichen Familie, sagte SARS-Expertin Maria Ching in Genf.

"Auch kalte Temperaturen von unter null Grad können ihm kaum etwas anhaben", erläuterte die Spezialistin. Jedoch vertrage das Virus keine Hitze, Temperaturen über 56 Grad könne es nicht überstehen.

"Die gute Nachricht ist, dass sich der SARS-Virus mit gewöhnlichen Desinfektionsmitteln abtöten lässt, wie wir jetzt herausgefunden haben", betonte Ching.

Nach Meinung der WHO-Expertin könnten die Erkenntnisse den Prozess einer wirkungsvollen Bekämpfung der lebensgefährlichen Lungenentzündung beschleunigen. Auch die Vorbeugung lasse sich zukünftig einfacher gestalten, "da wir ja jetzt wissen, wie sich das Virus überträgt und dass es mit einfachen Desinfektionsmitteln abgetötet werden kann", so Ching.

Die WHO bestätigte ihre Zielsetzung, den Erreger so schnell wie möglich ganz auszurotten. Wie lange dies dauern werde, sei jedoch völlig unklar, sagte Ching. "Jedoch zeigt uns das Beispiel Vietnam, wo SARS unter Kontrolle gebracht werden konnte, dass das Virus auf jeden Fall eingegrenzt werden kann."

Ungebremste Ausbreitung in China

Derweil scheint sich die Krankheit in China weiter ungebremst auszubreiten: Das Gesundheitsministerium meldete am Montag 160 neue Erkrankungen und 9 weitere Todesfälle. Die Zahl der SARS-Fälle stieg dort am Montag auf 4280, die der Toten auf 206. Weltweit registrierte die WHO bislang 6583 SARS-Fälle und 461 Tote (Stand: 5. Mai).

In China stehen inzwischen mehrere zehntausend Menschen unter Quarantäne. Die Krankheit überschattet das Leben von Millionen Menschen: An etlichen Ausfallstraßen Pekings verhindern Straßensperren, dass Stadtbewohner aufs Land oder zur Großen Mauer fahren.

Auf den Straßen der Metropole sind nur noch wenig Passanten zu sehen. Viele tragen Mundschutz. Der Flughafen ist wie leergefegt. Unbefugte ohne Flugschein dürfen das Gebäude nicht betreten. Am Eingang wird Fieber gemessen.

Die Krankenhäuser in Peking, das mit 1897 die meisten SARS-Fälle landesweit hat, leiden zunehmend unter Personalnot. Sanitäter, Hilfskräfte und Putzfrauen wollen selbst für zehn mal höhere Löhne nicht mehr in Krankenhäusern arbeiten, die für SARS-Patienten bestimmt sind. Im Xiongke-Hospital in Peking müssen Ärzte und Schwestern selbst den Boden wischen, wie es heißt.

SARS bereits seit Januar in Peking

Wie am Montag aus Kreisen mit guten Kontakten zu Krankenhäusern in Peking zu erfahren war, breitete sich SARS bereits seit Januar in der Hauptstadt aus. Während die Gesundheitsbehörden zunächst öffentlich beteuert hatten, die Krankheit sei in China "unter Kontrolle" und es gebe nur zwei Dutzend Fälle in Peking, habe es in Wirklichkeit schon viele Patienten in mehreren Hospitälern gegeben. Die Krankheit war erstmals im November in der südlichen Provinz Guangdong aufgetaucht und verbreitete sich von dort in China, nach Hongkong und in viele andere Länder.

Der führende chinesische SARS-Spezialist Zhong Nanshan geht davon aus, dass der Höhepunkt der Epidemie in China Mitte oder Ende Mai überschritten wird. In Peking rechnet Nanshan dagegen erst im Juni mit einer langsamen Besserung.

Inzwischen sind auch im Osten Russlands an der Grenze zu China die ersten konkreten Verdachtsfälle aufgetreten. Vier Menschen wurden mit SARS-Symptomen in der Stadt Blagoweschtschensk auf eine Isolierstation gebracht, teilten die regionalen Behörden am Montag mit.

Alle vier hatten in einem Hotel gewohnt, in dem auch Wanderarbeiter aus China leben. Das Hotel wurde unter Quarantäne gestellt, meldete die Agentur Interfax. Die Grenze zu China wurde am Montag geschlossen. Blutproben des ersten Erkrankten, eines 25-jährigen Russen, wurden zur Untersuchung auf den SARS-Erreger in das 6000 Kilometer entfernte Moskau geflogen. Die zuständige Gesundheitsbehörde erwartete jedoch keine Bestätigung der Infektion.

In Hongkong registrierten die Behörden den zweiten Tag in Folge lediglich acht neue Fälle. Dies sei der niedrigste Zuwachs seit Beginn der Zählungen Mitte März. Insgesamt wurden in der Wirtschaftsmetropole mehr als 1600 Fälle und 187 Tote registriert.

In Brüssel wollen an diesem Dienstag die EU-Gesundheitsminister über SARS beraten.

(sueddeutsche.de/dpa)

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