Lotto:Das Kreuz mit dem Glück

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An der Universität Hohenheim versuchen Forscher zu ergründen, welche Lottozahlen unwahrscheinlich reich machen können.

Von Bernd Dörries

Karl Bosch sagte, er könne die Leute nicht verstehen. Jeder denke, er habe eine Idee, auf die nun wirklich kein anderer käme. Und dabei hätten sie doch alle dieselbe. "Die Diagonalen, die Horizontalen, die ersten sechs." Die Leute dächten, niemand sei so blöd, auf die ersten Zahlen zu setzen und sehen darin ihre Chance. Viele andere aber auch.

(Foto: Foto: dpa)

Karl Bosch ist Professor für Mathematik an der Universität Hohenheim bei Stuttgart und Mitglied der neu eingerichteten Forschungsstelle für Glücksspiel, der einzigen ihrer Art in Deutschland. Dort kümmern sich Forscher seit einigen Monaten um alle Aspekte des Glückspiels: die rechtlichen, die ökonomischen, die Sucht und eben um die Statistik, die Wahrscheinlichkeit des großen Gewinns.

Das ist die Aufgabe von Karl Bosch. Man könnte sagen, dass er der Lottoprofessor ist. Immer, wenn ein besonders hoher Jackpot nicht geknackt wurde, ist Bosch am nächsten Tag im Radio zu hören oder sitzt um sechs Uhr morgens im Frühstücksfernsehen.

Zahlen, die sonst fast niemand hat

Und immer erzählt er das, was er auch in seinen Lottobüchern geschrieben hat: Egal auf welche Zahlen man auch setzt, die Chance einen großen Gewinn zu bekommen, sind immer dieselben. Die Wahrscheinlichkeit mit den Zahlen vom vergangenen Samstag am kommenden zu gewinnen, sind so hoch wie für alle anderen Kombinationen auch. Man müsse ihn also nicht anrufen und nach einem Tipp fragen.

Was Bosch jedoch mit seinen zahlreichen Statistiken und Listen zeigen kann ist, wie man die Wahrscheinlichkeit auf ein hohen Gewinn steigern kann, wenn man die richtigen Zahlen hat. Mit Zahlen, die sonst fast niemand hat und die eine hohe Quote garantieren.

Und dann ist man wieder bei den Diagonalen und Horizontalen, die so viele tippen, sagt Bosch, weil sie schön aussehen auf dem Schein. Und weil viele Leute denken, dass so offensichtliche Kombinationen kein anderer tippt. Es sind aber doch immer Zehntausende.

Ungelöstes Rätsel

Einmal, 1999 war das, wurden die Zahlen 2,3,4,5,6 gezogen. Den Fünfer haben 38.000 Tipper richtig gehabt, es gab lächerliche 380 Mark. Bosch macht das traurig. Die Leute hätten sich am Samstag über den Gewinn gefreut und Anschaffungen geplant. Am Montag bekamen sie ein paar hundert Mark.

Es gebe aber noch ein ungelöstes Rätsel der Mathematik. Nämlich das, wie viele Reihen man auf einem Lottoschein ankreuzen muss, um sicher einen Dreier zu haben. "Zur Überprüfung müsste man aus allen möglichen 13983816 Tippreihen jeweils 85 auswählen und diese wiederum mit allen möglichen 13983816 vergleichen mit dem Ziel, 85 Tippreihen zu finden, die bei jeder Ziehung mindestens zu einem Dreier führen." Es gebe keinen Computer, der dies simulieren kann. Ansonsten sei Lotto und andere Glücksspiele aus mathematischer Sicht eigentlich ziemlich gut erforscht.

Was sind das nur für Leute?

Was noch fehle, sagt Tilman Becker, der Leiter der Forschungsstelle, sei etwa eine ökonomische Analyse der Glücksspielindustrie und Studien über die Auswirkungen der boomenden Internetcasinos. Früher habe man Spielsüchtige einigermaßen unter Kontrolle gehabt. Die Casinos meldeten chronisch Spielsüchtige, oder die ließen sich selber sperren. Heutzutage säßen die Spieler zuhause anonym hinter dem Computer.

Zwar gebe es schon viele Studien über das Suchtverhalten pathologischer Spieler, aber über den normalen Verbraucher sei fast nichts zu finden. Becker also interessiert, was das für Leute sind, die bei Neun Live vor dem Fernseher sitzen und bei aussichtslosen Glücksspielen anrufen, eine Menge Geld ausgeben.

Es sei schon absurd: "Auf der einen Seite versucht die Gesellschaft jegliche Risiken abzuwenden, man schließt sogar Reisegepäckversicherungen ab, auf der anderen Seite ist man aber bereit, für ein gewisses Risiko beim Spiel auch noch zu bezahlen." Becker und Bosch spielen übrigens beide selber Lotto. In Maßen wie sie sagen. Als Privatperson, nicht als Forscher.

© SZ vom 25.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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