London:Millardengrab mit neuer Bestimmung

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Der Millennium Dome in London sollte die Zukunft Großbritanniens symbolisieren - nun beherbergt er Obdachlose.

von Christoph Schwennicke

Das Ding mit seinen auffälligen Streben über der Teflonkuppel sieht man bei klarem Himmel schon von weitem im Anflug auf Heathrow, oder wenn man mit der Bahn an der City von London vorbei in Richtung Osten fährt: Der Millennium Dome, Tempel des Größenwahns des frühen Tony Blair, steht da im Stadtteil Greenwich wie ein stummes Mahnmal für mehr Besonnenheit in der Politik. Zwölf Milliarden Euro an öffentlichen Geldern wurden in dem Oval verbaut und verplempert.

12 Milliarden Euro teuer - und absolut nutzlos: Der Millenium Dome in London (Foto: Foto: dpa)

400.000 Euro monatlich kostet es nach wie vor, den Dome in Stand zu halten. Seit dem Turmbau zu Babel sind wenige Bauwerke auf der Welt von ähnlich monströser Nichtsnutzigkeit entstanden.

In diesen Tagen hat das vormalige Wort des Bauherrn Blair eine besonders bittere Note bekommen. Ein "Schaustück für New Labours Vision von Großbritannien im nächsten Jahrtausend", hatte er den Dome 1997 in seinen ersten Monaten als Regierungschef genannt.

Dieses Blair-Wort konsequent zu Ende gedacht, wäre die Vision von New Labour die Verarmung der Gesellschaft, die Obdachlosigkeit, der Suff. Denn bis zum 30. Dezember hat die Hilfsorganisation Crisis dem nutzlosen Monstrum für ein paar Tage einen sozialen Sinn gegeben: Bis zu 1500 Obdachlose Londons werden auf einem Drittel der Fläche des Gebäudes beherbergt und versorgt.

Eine besonders hilfreiche Geste, da sich über die Weihnachtstage ungewohnte Kälte über die Metropole legte, mit nächtlichen Tiefstwerten von minus sechs Grad. Neben Tee und Essen wird den Heimatlosen die Möglichkeit gegeben, in einem "Inspirationsbereich" Anregungen für eine Rückkehr in ein geregeltes Leben zu finden.

Viel Inspiration ist schon lange gefragt, wenn es um die Zukunft dieses "weißen Elefanten" geht, wie im Englischen etwas völlig Nutzloses genannt wird. Zur Jahrtausendwende gab es in 14 Arealen mit verschiedenen Themengebieten wie Arbeit, Geld und Kommunikation viel Firlefanz, aber wenig Substanz. Wenn jährlich zwölf Millionen Besucher umgerechnet 30 Euro Eintritt hingelegt hätten, wäre die Rechnung aufgegangen.

Nach dem ersten Jahr waren es aber nur sechs Millionen, und der Abstieg des Bauwerks nahm seinen Anfang. Im Jahr 2002 verschenkte die Regierung das Gebäude an eine Investorengruppe inklusive der Zusage, die Instandhaltungskosten weiterzutragen. Der Ideen sind seither hochtrabend. Das vom Architekten Richard Rogers entworfene Riesenzelt soll in eine Sport- und Konzertarena umgebaut, das Areal mit Tausenden Wohnungen und Büros bebaut werden.

Einstweilen aber hangelt sich die Kuppel von Zwischennutzung zu Zwischennutzung. Vor den Obdachlosen waren im Oktober des ablaufenden Jahres 5000 Teilnehmer eines internationalen Sozialforums in einer Art provisorischer Riesen-Jugendherberge im Dome untergebracht. Für umgerechnet 15 Euro und bei selbst mitgebrachtem Schlafsack.

© SZ vom 28.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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