Limit am Steuer:Ein bisschen bekifft ist in Ordnung

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Wer einen Joint raucht und später Auto fährt, erhält nicht unbedingt ein Fahrverbot. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, die Grenze in Zukunft nicht mehr bei Null zu ziehen.

Von Helmut Kerscher

Wer mit illegalen Drogen im Blut ein Auto steuert, wird nicht mehr automatisch verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht verlangt dafür über den Gesetzeswortlaut hinaus das Überschreiten eines Grenzwertes einer berauschenden Substanz.

Diesen sieht es im Fall von Cannabis bei einer Konzentration des psychoaktiven Hauptwirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) von etwa 1,0 Nanogramm, also ein Milliardstelgramm, pro Milliliter.

Karlsruhe gab einem Autofahrer Recht, der wegen einer THC-Konzentration von unter 0,5 Nanogramm pro Milliliter zu einem Fahrverbot und einer Geldbuße verurteilt worden war.

Spuren von Drogen könnten mittlerweile noch so lange nach dem Konsum festgestellt werden, dass die Fahrtüchtigkeit möglicherweise nicht mehr eingeschränkt sei.

Cannabis auch noch 16 Stunden später im Blut

Im konkreten Fall hatte ein Mann, wie es im ersten Satz der Entscheidung hieß, "im November 2002 gegen 21.30 Uhr einen Joint" geraucht. Tags darauf fuhr er gegen 13.30 Uhr wegen einer anderen Angelegenheit zur Polizei, die ihn wegen nicht näher beschriebener "körperlicher Auffälligkeiten" um einen freiwilligen Urintest bat und danach eine Blutprobe veranlasste.

Die Rechtsmediziner konnten mit ihren modernen Methoden geringe THC-Spuren noch 16 Stunden nach dem Cannabis-Konsum feststellen.

Für das Amtsgericht Kandel und später das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken war der Fall damit klar: Nach Paragraf 24a des Straßenverkehrsgesetzes hatte der Mann eine Ordnungswidrigkeit begangen, weil er "unter der Wirkung eines berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug" geführt hatte.

"Echte Nullwertgrenze" nicht haltbar

Anders als bei Alkohol, für den ein Grenzwert von 0,5 Promille festgelegt ist, nimmt das Gesetz bei illegalen Drogen wie Cannabis, Kokain oder Heroin eine Wirkung generell an, wenn die geringste Konzentration im Blut nachgewiesen wird.

Diese "echte Nullwertgrenze", als solche deklarierten sie die Strafgerichte, korrigierte nun das Verfassungsgericht. Wegen des technischen Fortschritts habe sich die Nachweisdauer für THC wesentlich erhöht.

Inzwischen ließen sich Spuren der Substanz über mehrere Tage, unter Umständen sogar Wochen nachweisen, erklärt das Gericht. Deshalb treffe die dem Gesetz zugrunde liegende Annahme der "Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit für Cannabis nicht mehr zu", befand eine Kammer des Ersten Senats. Inzwischen könne auch dann noch ein positiver Drogenbefund festgestellt werden, wenn der Cannabis-Konsum lange zurückliege und keine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit unterstellt werden könne.

In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt, dem Bayerischen Obersten Landesgericht und den Verwaltungsgerichten verabschiedete Karlsruhe deshalb die gesetzliche "Nullwertgrenze". (Az: 1 BvR 2652/03)

© SZ vom 14.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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