Ihren grünen Rucksack hatte sie natürlich auch im Februar 2011 in Sri Lanka wieder mit dabei. Auf der Gruppenreise, die Gudrun Esser-Zillessen damals gemeinsam mit einer Bekannten gebucht hatte. Ihren grünen Rucksack nimmt Gudrun ja immer mit. Ihr Programm war gut durchgetaktet: mehrere Besichtigungen pro Tag, immer mit demselben Reisebus. Ein großer Bus für nur 18 Touristen, da hat man viel Luft. Zuerst saß Gudrun noch enggedrängt neben ihrer Kollegin. "Aber dann habe ich in die letzte Reihe mit mehreren freien Sitzen geschaut. Da saß dieser Typ alleine mit so viel Platz links und rechts. Und ich dachte: ist doch Quatsch."
Sie setzte sich zu diesem Typ, ihren grünen Rucksack nahm sie mit und stellte ihn dazwischen. Sicher ist sicher. Damals hatte Gudrun eigentlich genug von Beziehungen. Sie war 13 Jahre lang verheiratet, anschließend neu liiert, und als auch diese Partnerschaft nach 20 Jahren zu Ende ging, vermisste sie in ihrem Leben mit zwei Töchtern, Freunden und den vielen Hobbys eigentlich gar nichts. "Ich bin schon immer gerne unterwegs gewesen. Als ich mit 56 in den Vorruhestand ging, hatte ich endlich auch die Freiheit zu reisen", sagt die heute 71-Jährige. Gudrun war nicht darauf aus, jemanden kennenzulernen - sie wollte einfach in ein neues Land. Aber die Fahrten waren lang. Da kam man ins Gespräch.
Der Typ, Karl-Heinz Hirner, war früher klassischer Italienurlauber gewesen mit seiner Frau und den drei Töchtern. Das fand er schön, aber als diese Ehe 2009 geschieden wurde, wollte er mal etwas anderes sehen. Es dauerte ein bisschen, dann entschied er sich für die Gruppenreise nach Sri Lanka. "Ich bin mal in der Karibik gewesen, aber in Asien noch nie", sagt der 73-jährige Schwabe. Gudrun habe ihn im Bus hinter ihrem grünen Rucksack gleich so herausfordernd angeschaut, das fand er interessant.
Bei einem Ausflug zu dem bekannten Löwenfelsen Sigiriya machten sie ein Wettrennen: Wer ist als Erster oben? Von da an machten sie alles zusammen. "Diese Reise, das war schon Schicksal. Irgendwann haben sich unsere Hände berührt und es hat gefunkt", sagt Karl-Heinz. "Danach stand der Rucksack nicht mehr zwischen uns."
Zurück aus Sri Lanka war klar: Ein Urlaubsflirt sollte das nicht bleiben. Nach ein paar Wochen am Telefon trafen sie sich zum Wandern, machten Städtereisen, fuhren nach Madeira und Thailand. "Wir wollen zusammen die Welt sehen", sagt Karl-Heinz. Nur zusammenziehen werden sie wohl nie, obwohl sich Karl-Heinz das gewünscht hat. "Wir haben ein anderes Umfeld, das wäre schwer", sagt Gudrun. Seine Wohnung sei nüchtern, ihre voller Antiquitäten und Souvenirs. Er schlafe aus, sie stehe um sieben Uhr auf. Er lasse alles auf sich zukommen, sie plane minutiös - zum Beispiel ihre nächste große Reise. Nach Südamerika soll es gehen. Eine Gruppe brauchen sie nicht mehr. Und der grüne Rucksack, sagt Karl-Heinz, steht im Hotel ziemlich schnell in der Ecke.
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