Leibspeise:Scharf, heiß, fettig

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Die Currywurst soll in Berlin ein Museum bekommen. Auf 1500 Quadratmetern für fünf Millionen Euro Baukosten.

Von Philip Grassmann

Wahrscheinlich war Herta Heuwer die Bedeutung ihrer Entdeckung nicht einmal bewusst.

Birgit Breloh, designierte Leiterin des Currywurst Museums, präsentiert in Berlin mit einer Currywurst in der Hand, das Logo für das geplante Currywurst-Museum. (Foto: Foto: dpa)

Der Krieg war gerade vier Jahre vorbei, da bereitete sie in ihrer Berliner Imbissbude am Stuttgarter Platz eine Bratwurst zu, die sie mit einer Soße aus Tomatenmark, Curry und weiteren Zutaten verkaufte.

Der 4. September 1949 gilt in der Hauptstadt als die Geburtsstunde der Currywurst. Von hier trat sie ihren Siegeszug durch die Schnellimbisse an.

Inzwischen hat der rot-gelbe Kalorienbomber sogar in einigen Luxusrestaurants einen Platz auf der Karte erobert. Nicht nur Künstler wie Herbert Grönemeyer oder Politiker wie Kanzler Gerhard Schröder lieben die Currywurst. Vielen gilt sie als kulinarisches Kultobjekt.

Auch Hamburg will die Currywurst erfunden haben

Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass nun in Berlin ein Currywurst-Museum eröffnet werden soll. Auf 1500 Quadratmetern möchten die Fastfood-Forscher alles Wissenswerte über die Wurst ausbreiten. Fünf Millionen Euro wollen sie investieren.

An Stoff mangelt es also wahrlich nicht, zumal da eigentlich alles, was mit der Currywurst zu tun hat, irgendwie auch umstritten ist. So gibt es beispielsweise einen Konflikt darüber, ob wirklich Berlin der Geburtsort des Bratlings ist.

Erfunden wurde die Currywurst nach Meinung der Hanseaten in Hamburg. Dort will man bereits 1947 die kulinarische Innovation verspeist haben. Der Schriftsteller Uwe Timm verfasste gar ein Buch über das Thema, in dem er die Entdeckung einer gewissen Lena Brückner zuschreibt.

Auch die Politik mischte sich ein. Der einstige Hamburger "Richter Gnadenlos" und spätere Innensenator Ronald Schill enthüllte 2003 Lena Brückner zu Ehren eine Gedenktafel. Kleiner Schönheitsfehler dabei: Sie ist eine literarische Fiktion.

Wurstexperten wissen allerdings, dass der Streit nicht von ungefähr kommt. Denn bis heute haben sich deutliche Unterschiede in der Zubereitung erhalten. Während die hanseatische Currywurst in einer bräunlich-süßlichen Soße schwimmt, gießt der Berliner ein eher scharf-tomatiges Gemisch darüber und pudert das Ganze mit Currypulver.

Das Rezept ruht im Grabe

Doch damit enden die Konflikte noch lange nicht. Für die einen besteht das Original aus Kalbfleisch und muss von Hand zerteilt werden. Andere schnippeln dagegen maschinell und bevorzugen Schweinefleisch, wahlweise mit oder ohne Darm. Aufschluss über Glaubensfragen dieser Art könnte der Nachlass von Herta Heuwer geben.

Deren Nachfahren wollen die Hinterlassenschaft der alten Dame dem Museum überlassen. Wie genau die Originalsoße schmeckte, wird jedoch auf ewig ein Geheimnis bleiben. Die Wurst-Braterin nahm das Rezept mit ins Grab.

Dass die Ausstellung von Histörchen, Wurstpicksern, Rezepten, Ketchupflaschen und Imbissbuden allerdings kaum den Informationshunger der Besucher stillen dürfte, wissen auch die Museumsmacher.

Sie planen deshalb nicht nur eine Abteilung "Currywurst im internationalen Vergleich", sondern auch eine Multimedia-Show. So soll in einer dreidimensionalen Animation der Weg der Wurst durch den menschlichen Körper gezeigt werden.

Ob man mit derartigen Spielereien den Geschmack der erhofften 350.000 Currrywurst-Freunde trifft, wird sich allerdings erst im kommenden Jahr erweisen. Dann soll das Museum eröffnet werden.

© SZ vom 1.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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