Landwirtschaft:Holland in Not

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Weil Touristen Kuhschwund auf den Weiden beklagen, überlegen niederländische Politiker, wie sie das Vieh wieder an die Luft setzen.

Von Siggi Weidemann

Leeuwarden - Am Bahnhof von Leeuwarden, der friesischen Hauptstadt, haben sie der Kuh ein Denkmal gesetzt. In Lebensgröße und aus Bronze. "Us Mem", unsere Mama, wird das Rindvieh liebevoll genannt.

Die holländische Kuh stirbt aus. Deswegen auch ein Bild von einer schweizerischen Kuh. (Foto: Foto: AP)

Das Denkmal soll ein Dank sein an das berühmte "Fries Rundvee Stamboek", dass schwarzbunte Stammbuchrindvieh. Auf das ist man hier stolz, brachte es doch über Jahrhunderte Wohlstand.

Polderland ohne Kühe ist schwer vorstellbar, und doch verschwindet das Tier, das schon Hollands Meister auf ihren monumentalen Gemälden verewigt haben, von den Weiden - unter anderem durch die EU-Milchquote und das Hofsterben.

Bonus für jede Wiesenkuh

Weil sich immer mehr Niederländer und Touristen über das fehlende Wahrzeichen beschwerten, hat sich die Politik der Sache angenommen. Im Mai will der Landwirtschaftsminister seine Pläne zur Kuhrettung bekannt geben. Unter anderem wird eine Kopfprämie diskutiert. Pro Wiesenkuh könnte der Bauer demnach einen Bonus bekommen.

Vorausgegangen sind viele Überlegungen im zuständigen Ministerium, aber auch bei den Bauernverbänden, wie man die Landwirte dazu bringen kann, Kühe im Sommer wieder auf die Weiden zu treiben.

In Utrecht demonstrierte vorige Woche die Stiftung "Erde und Bäume", indem sie Kühe im Zentrum grasen ließ, für mehr Wiederkäuer auf der Weide.

Tiermaler Ruud Spil, der sich auf Kuhporträts spezialisiert hat, erklärte, es sei höchste Zeit für eine "Bewusstseinskampagne". Der Maler, der auf einem nordholländischen Hof geboren wurde, ist davon überzeugt, dass viele Menschen einige Cent mehr für Milch zahlen würden, wenn sie wieder mehr Kühe grasen sehen, muhen hören oder von ihnen aus ihren sanften Augen angeblickt würden.

Der Bauer, der die Viecher auf die Weide treibt, solle besagter Kuhcent zugute kommen. Schließlich gehöre die Kuh ebenso zum holländischen kulturellen Erbgut wie Holzschuhe, Windmühlen, Polder, Tulpen oder Königshaus.

König Beatrix ist immer noch da, an diesem Samstag feiert sie ihr 25-jähriges Thronjubiläum. Die Kühe aber, anders als die Monarchie, verschwinden.

In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich ihre Zahl um ein Drittel verringert. 2004 wurden nur noch 3,8 Millionen Kühe gezählt. Gab es vor zehn Jahren noch rund 80.000 Bauernhöfe, die Rindvieh hatten, sind es heute nur noch 35.000.

Weil die EU die Milchabgabe kontingentiert hat, um die Produktion zu drosseln, wird heute nur noch ein kleiner Prozentsatz der Tiere für die Milchlieferung gehalten.

Obwohl die Tierzahlen gesunken sind, wird fast noch genauso viel Milch produziert wie früher. Auf den Weiden sieht man aber kaum noch Rindvieh, weil es für Viehbauern billiger ist, ihre Kühe das ganze Jahr über im Stall zu belassen.

Die Arbeit lohnt nicht mehr

Tiere im Freiland kosten Zeit und Geld. Hinzu kommt, dass in Holland wöchentlich 90 Höfe aufgeben; die Arbeit lohnt nicht mehr, viele Bauern kapitulieren vor den europäischen Richtlinien, die Jungen haben keine Lust mehr an der Hofarbeit.

Daran ändert auch die populäre TV-Serie "Bauer sucht Frau" kaum etwas.

Inzwischen haben Pferde die Wiesenhoheit übernommen. Die Pferdehalterei mit ungefähr 400.000 Tieren und 1,2 Milliarden Euro Umsatz gehört zu den profitabelsten Bereichen der holländischen Agrarindustrie.

Ein Denkmal wird man den Pferden gleichwohl nicht setzen. Das wäre Verrat an "Us Mem".

© SZ vom 30.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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