Kurt Krenn:Der Mann mit dem Betonkragen

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Der streitbare Bischof von St. Pölten treibt viele Gläubige zum Austritt, weil er den Skandal um Kinderpornografie im Priesterseminar herunterspielt.

Von Michael Frank

Gemütlicher könnte ein Mensch nicht wirken: ein kugelrunder, kleiner Herr im stets etwas zu knappen schwarzen Wams, schütteres graues Haar, flinke wasserblaue Äuglein, rosige runde Bäckchen über dem "Betonkragen", dem steifen weißen Halsband, das traditionelle katholische Kleriker zur Hebung ihrer Würde tragen.

Kurt Krenn, seit 1991 Bischof der Diözese St. Pölten (Foto: Foto: dpa)

Kurt Krenn, seit 1991 Bischof der niederösterreichischen Diözese St. Pölten, sieht ganz so aus, als sei er einem der romantischen Ölschinken des 19. Jahrhunderts entstiegen, auf denen in tiefen Klostergewölben rotwangige Mönche beseligt Geistiges aus bauchigen Fässern kosten.

Wenn des Gottesmannes listige Augen blitzen, ist es allerdings aus mit der Gemütlichkeit. Was die Vorstellungen von Moral und Kirche angeht, datieren nicht nur seine Gegner den Mann im Mittelalter, also in die vorlutherische Scholastik. Was aber seine Maulfertigkeit und dogmatische Kampfkraft angeht, da ist der Bischof höchst gegenwärtig und immer gut dafür, Österreichs Kirche in regelmäßigen Abständen in immer bedrohlichere Krisen zu stürzen.

Die Empörung und Erbitterung unter Österreichs Katholiken über den derzeitigen Sexskandal im St.Pöltener Priesterseminar aber lassen selbst gestandene Theologen, Priester und Publizisten derart die Fassung verlieren, dass die Sache mit dem schlürfenden Kellermönch giftige Aktualität bekommt: Der katholische Publizist Hubert Feichtlbauer und der Pastoraltheologe Paul Zulehner beispielsweise halten Krenn eine "offensichtliche" Alkoholkrankheit vor, gepaart mit einem Parkinsonleiden.

Er sei zu krank und längst unfähig, sein Bistum noch zu führen. Wenn er Verantwortung oder Schuld im Falle der Seminaristen schon nicht akzeptieren wolle, dann solle er wenigstens dessentwegen abtreten.

"Ich verzeihe Ihnen!"

Ein böser Witz sagt, der Vatikan scheue sich nur deshalb, Krenn nach Rom wegzuloben, weil der Umzug seines umfänglichen Weinkellers zu teuer käme. Das klingt wie billige Häme. Just in Österreich dichtet man zu gerne Menschen eine zu innige Nähe zum Glase an.

Doch diesmal spricht aus den Anwürfen schiere Verzweiflung über die zähe Langlebigkeit des belfernden Kirchenfürsten. Hat nicht schon vor sechs Jahren der damalige Wiener Generalvikar Helmut Schüller den Rücktritt des Bischofs verlangt?

Krenn hatte wegen hierarchischer Streitereien Wiens Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn entgegengeschleudert: "Lügner sollen das Maul halten!" Krenn setzte Schüller und andere listig matt, indem er den Verblüfften mit treuherziger Tücke versicherte: "Ich verzeihe Ihnen!"

Schüller ist heute Chef der Ombudsstelle für Opfer sexueller Übergriffe und konstatiert, Krenn hintertreibe schon immer österreichweite Regelungen in dieser Sache. Rom müsse "schon morgen" handeln und Krenn absetzen.

Was übrigens die Ferkeleien in seinem Seminar betrifft, so geht das "die Bischofskonferenz einen Dreck an", ließ Krenn seine Amtsbrüder wissen (Foto: Foto: dpa)

Im Priesterseminar St. Pölten sind Tausende Pornophotos auf Computern gefunden worden, die teilweise wegen Kindsmissbrauchs auch strafrechtlich zu bewerten sind; die Leiter des Hauses sind in kompromittierenden Szenen mit ihren Schützlingen dokumentiert.

Alles Unsinn, alles nur etwas zu "liebevolle" Feiereien, alles nur "Bubendummheiten", alles Medienmache, sagt Krenn und sieht seine alte Forderung bestätigt, Journalisten sollten über Kirchenfragen nur berichten dürfen, wenn sie vorher eine Approbation der Kirche bestanden hätten. Er hat nie akzeptiert, was nicht sein darf, nämlich ein Sexualleben von Klerikern, schon gar kein abwegiges.

Geboren in einer Großfamilie im Oberen Mühlviertel

Nicht einmal, als Schönborns unglückseliger Vorgänger Hermann Kardinal Groer sich mit dem Vorwurf der Unzucht mit Abhängigen konfrontiert sah, war Krenn bereit, die Vorhaltungen ernst zu nehmen. Das tut er auch jetzt nicht, da nach anderer Theologen Meinung ungeeignete Probanden zuhauf die St. Pöltener Priesterausbildungsstätte bevölkern.

Krenn stammt aus einer ländlichen Großfamilie des Oberen Mühlviertels im Schatten des Böhmerwaldes, mit seiner kargen Erde, mit seiner kargen Seele. In Rom geweiht, kam er durch Protektion eines polnischen Kämmerers oftmals am Frühstückstisch von Papst Johannes Paul II. zu sitzen, wurde Theologieprofessor in Deutschland.

Als der Papst ihn 1987 zu Wiens Weihbischof ernannte, hinterließ er Bilder von tiefer Einprägsamkeit: Gläubige legten sich aus Protest vor dem Stephansdom aufs Pflaster, um dem Erzkonservativen symbolisch den Zugang zu verwehren. Der korpulente Priester hüpfte auf Zehenspitzen zwischen den Leibern zum Portal. Vier Jahre später das gleiche Bild in St.Pölten, nur schon etwas routinierter im spirituellen Spitzentanz.

Da bellte der Bischof

Mit allen und jedem hat sich Krenn schon angelegt. Über die Verhütung, über die mitmenschliche Achtung von Dirnen, über die Mitarbeit der Laien in der Kirche, über Mädchen als Ministrantinnen, über die Ehe für Priester - er ist immer gegen alles, verkündet immer argumentenfrei nur die "Wahrheit" seiner Kirche.

Just lässt er einen braven Mitbruder, der sich selbst als glühender "Charismatiker" der Ehelosigkeit bekennt, nicht ungeschoren. Als der für andere forderte, sie sollten selbst wählen können, ob ihnen neben dem "Charisma" des Priestertums auch noch das der Familie gegeben sei, da bellte der Bischof: "Das ist aber nicht die Lehre der Kirche!"

Was übrigens die Ferkeleien in seinem Seminar betrifft, so geht das "die Bischofskonferenz einen Dreck an", ließ Krenn Österreichs Amtsbrüder wissen. Die kritisieren heftig, dass eine diözeseninterne Kommission alles prüfen soll, die der Bischof selbst eingesetzt hat, obwohl dessen Verhalten als allererstes zu prüfen sein wird.

Auch römische Kirchenrechtler sehen inzwischen den Vatikan im Zugzwang. Markus Graulich, Salesianerpater und Professor an der päpstlichen Universität, konstatiert lakonisch: "Er hat die Aufsichtspflicht verletzt." Damit sei Rom zuständig.

Indessen brandet binnen zehn Jahren die vierte große Austrittswelle von Gläubigen an die Pforten der österreichischen Kirche. Kurt Krenn hat sie mit verursacht.

© SZ vom 17.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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