Kunst bei Aldi:"Ich hab' die Kunde, ihr die Kunden"

Lesezeit: 2 min

Nach dem Schampus nun die Bilder: beim Discounter gibt es von Dezember an echte Kunstwerke zu kaufen, das Stück zu zehn Euro.

Von Alex Rühle

Eines der langweiligsten Gesprächsthemen der vergangenen Jahre war der Aldischampus. Menschen, deren Lebensglück von dem neurotischen Zwang zerrüttet wird, jedem zeigen zu müssen, dass sie dem Zeitgeist forsch voransurfen, versicherten tagaus, tagein, dass sie ihren Champagner ja nur noch bei Aldi kaufen. Dann schauten sie einen so erwartungsvoll an, als hätten sie gestanden, dass sie ihre bunt bestückte Pornosammlung Ceausescus Söhnen persönlich abgekauft haben.

Toll, Glückwunsch, Schampus bei Aldi, warum nicht. Kaltgepresstes Olivenöl gibt's da ja auch. Harald Schmidt nahm das verklemmte Verhältnis der Besserverdienenden zum Discounter kürzlich auf die Schippe: "Kennen Sie den seltensten Satz, der am Handy gesprochen wird? ,Ich bin bei Aldi.' Leute, die bei Aldi angerufen werden, sagen: ,Wo ich bin? Du, äh, ich kauf grad Champagner ein.'"

Originale nebst Rahmen und Signatur

In Zukunft können all diese Leute ihren Aufenthaltsort noch besser kaschieren: Bei Aldi wird jetzt Kunst verkauft. Nicht irgendwelche Dalí-Kopien sondern Originalgrafiken, signiert von den Künstlern, nebst Rahmen. In den 1500 Filialen von Aldi-Süd wird die neue Produktpalette vom 1. Dezember an in die Regale gestopft.

Vorreiter der Aktion ist Felix Droese. Der Düsseldorfer Künstler, der Deutschland 1988 auf der Biennale von Venedig vertrat, schenkt Deutschland nun zwei Offset-Drucke mit den Titeln "Silberfinger" und "Wind, Wasser, Wolken". Droese steht "voll hinter der Aktion", für ihn kommt Kunst von Künden: "Ich hab' die Kunde, und Aldi hat die Kunden." Was für ein Synergieeffekt. Und als Formel so griffig wie das von Aldi formulierte "Aldiprinzip: Qualität ganz oben - Preis ganz unten."

Künstlerische Unterversorgung

Sechs weitere Künstler sind an der Aktion beteiligt, deren Namen Droese aber nicht kennt: "Wenn ich das richtig verstanden habe, kommen 140.000 Kunstwerke auf den Markt - man sieht die Unterversorgung". Schaden für sein künstlerisches Renommee sieht er nicht: "Meine Reputation besteht ja darin, dass ich die Hierarchien umdrehe", sagt der Beuys-Schüler, der schon früher Kunst für fünf Mark unters Volk gebracht hat.

Kunst zu Dumpingpreisen - ganz neu ist die Idee auch sonst nicht. Seit 1998 gibt es "Kunstsupermärkte" in Marburg und Frankfurt, Galerien, die in ihrer ollen Einrichtung und den günstigen Preisen an Discounter erinnern. Und einige Berliner Galerien bieten "Cheap-Art" an, Werke für 50 Euro, mit denen sich Künstler aus dem so genannten Underground von der angeblich elitären Kunstszene absetzen wollen. Neu ist also nur, dass Wind, Wasser, Wolken jetzt zwischen Klopapier und Lebkuchen stehen.

Aldi steht schwarz und schweiget, aus der Zentrale ist nichts zu hören zu dem Projekt. Nur soviel steht fest: Die Arbeiten werden als "ganzes Set" zu Preisen zwischen 10 und 15 Euro angeboten. Droese erhält für seine Offset-Drucke pro Stück einen Euro. Und die Lebensglücklosen werden einen im Advent anfunkeln, Schampus in der Linken, Olivenöl in der Rechten und sagen: "Ach, der Offsettdruck? Is'Aldi."

© SZ vom 14.11.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: