Kriegsverbrechen:Italienisches Gericht verurteilt SS-Soldaten zu lebenslanger Haft

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Ihre Strafe müssen die heute 80-Jährigen wohl nicht antreten, da Deutschland seine Staatsbürger nicht ausliefert. Allerdings droht ihnen jetzt auch hier ein Prozess wegen ihrer Gräueltaten.

Die zehn Deutschen waren an einem der grausamsten Massaker des Zweiten Weltkriegs beteiligt. Im italiensischen Sant' Anna di Stazzema ermordete ihre Einheit rund 560 Zivilisten, darunter vor allem Frauen und Kinder.

Für diese Gräueltaten verurteilte ein italienisches Militärgericht die zehn ehemaligen SS-Soldaten in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Ihre Strafe werden die Verurteilten allerdings nicht antreten müssen, da die Bundesrepublik ihre Staatsangehörigen nicht ausliefert. Italienische Kommentatoren sprachen daher von einem "eher symbolischen als streng juristischen Prozess".

Der Bürgermeister des Ortes zeigte sich mit dem Urteil zufrieden: "Wir wollen keine Rache, nur Gerechtigkeit", erklärte Michele Sillicani, der italienischen Nachrichtenagentur ANSA zufolge. "Nach 61 Jahren haben wir endlich Gerechtigkeit."

Mit dem Urteil folgte das Gericht in La Spezia nach siebenstündigen Beratungen den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Die Verteidiger der Angeklagten hatten Freisprüche gefordert.

Luigi Trucco, der Anwalt von zwei der Beklagten, zeigte sich enttäuscht über den Richterspruch. Seine Mandanten würden wahrscheinlich Berufung einlegen, sagte er.

Mit Maschinengewehren und Handgranaten

Auf ihrem Rückzug vor den Alliierten umstellten im August 1944 rund 300 Angehörige der SS-Panzerdivision "Reichsführer SS" den kleinen Ort Sant'Anna di Stazzema in der Toskana. Die Soldaten trieben Flüchtlinge und Einwohner auf dem Markt vor der Kirche zusammen.

Nach Berichten von Augenzeugen erschossen dort die Angehörigen der Einheit dann ihre hilflosen Opfer mit Maschinengewehren und warfen Handgranaten auf sie. Später seien die Leichen verbrannt worden. Das Massaker war eines der schlimmsten in einer Reihe von Gräueltaten der Nazis in Mittel- und Norditalien während des Zweiten Weltkriegs.

Einer der Angeklagten, Mathias Alfred Concina, war in einem Altersheim in Deutschland verhört worden. "Es war eine relativ kurze Mission, sie dauerte drei oder vier Stunden. Die Menschen wurden vor der Kirche zusammengetrieben und dann erschossen", sagte er aus.

Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart erklärte am Mittwoch, sie ermittle wegen des Massakers in Sant'Anna bereits seit 2002. Es gehe um mehr als zehn Verdächtige.

Schwierige Ermittlungen

Wie lange die Recherchen noch dauern, sei unklar. "Die Ermittlungen sind problematisch, weil jedem Einzelnen nachgewiesen werden muss, in welcher Weise er ganz konkret beteiligt war", sagte eine Sprecherin der Behörde.

Wie zahlreiche andere Naziverbrechen wurde das Massaker von Sant'Anna von den italienischen Behörden über Jahrzehnte nicht verfolgt.

In Rom heißt es, Prozessakten seien über Jahrzehnte bei den Behörden verschwunden, zahlreiche Verfahren "versandet". Italien habe in der Zeit des Kalten Krieges aus politischen Gründen auf die Verfolgung von Nazi-Verbrechen verzichtet.

"Schrank der Schande"

Der Prozess hatte im April 2004 begonnen. 60 Jahre hatte es gedauert, bis die noch lebenden Mitglieder der nach Heinrich Himmler benannten SS-Division vor dem Militärgericht in La Spezia belangt werden konnten.

Ermöglicht wurde der Prozess durch den spektakulären Fund von 695 Akten Mitte der 90er Jahre, die weiteren Einblick in die von Nationalsozialisten und Faschisten begangenen Gräueltaten boten.

Die Akten lagen in einem Metallschrank im Keller des Palazzo Cesi, dem Militärtribunal in Rom. Das Möbelstück, das mit den Türen zur Wand stand, wurde anschließend "Schrank der Schande" genannt.

Eine Gruppe deutscher Anwälte will die Überlebenden des Massakers und die Hinterbliebenen der Opfer bei dem Prozess in Deutschland kostenlos vertreten. Für den Prozessbeginn wurde das Urteil des Militärgerichts in La Spezia abgewartet.

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