Kommentar:Halbherzige Drogenpolitik

Seit Jahren ist der Drogenbericht der Bundesregierung der Beweis, dass die Entscheidung richtig war. Seit 1998 gilt: Sucht ist Krankheit. Drogenpolitik wurde unter Rot-Grün Aufgabe des Gesundheitsministeriums. Seither sinkt zumindest bei den harten, illegalen Drogen der Konsum, die Zahl der Todesopfer ist auf dem niedrigsten Stand seit 1989.

Heidrun Graupner

Süchtige werden nicht mehr als Verbrecher, sondern als Patienten behandelt, mit maßgeschneiderten Therapien wie "Heroin auf Rezept". Die Politik hat zudem gelernt, dass hohe Steuern vor allem Kindern den Appetit auf die schädlichen Alkopops und Zigaretten rauben.

Von einer Erfolgsbilanz kann man aber dennoch nicht reden. Ein Viertel aller Jugendlichen greift regelmäßig zum Joint und läuft Gefahr, vom Dealer nicht nur Cannabis, sondern auch Kokain oder die gefährlichen Designerpillen angeboten zu bekommen.

Weit mehr als 150.000 Menschen sterben Jahr für Jahr an ihrer Nikotin-, Alkohol- und Medikamentensucht. Es ist richtig, dass die Vorstellung von einer drogenfreien Gesellschaft Illusion ist. Doch die deprimierenden Zahlen haben ihre Ursache auch in einer widersprüchlichen Drogenpolitik.

Wie glaubhaft ist der Kampf gegen die bedrohlichen Folgen des Rauchens, wenn die Regierung gleichzeitig gegen das Tabakwerbeverbot vor den Europäischen Gerichtshof zieht?

An Suchttherapien wird gespart, was die Rückfallgefahr erhöht. Das Projekt "Heroin auf Rezept" will die Union, die auf einem totalen Entzug beharrt, abschaffen, trotz der nachweisbaren Erfolge bei hoffnungslos kranken Fixern. Eine Politik, die ihre eigenen Präventionsbemühungen aufhebt, kann nicht überzeugen - schon gar nicht Süchtige.

© SZ vom 4.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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