Kommentar:Charles, der Traurige

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Die belastete Hochzeit des Thronfolgers nährt die Krise der britischen Monarchie.

Von Gerd Kröncke

Für Charles Philip Arthur George, der einmal König werden soll, und für Camilla Parker Bowles, die mit der Trauung zur Königlichen Hoheit wird, geht an diesem Samstag ein Kapitel zu Ende. Nun werden sie Mann und Frau sein.

Prinz Charles. (Foto: Foto: Reuters)

Wie sie von der Nation akzeptiert werden, davon wird abhängen, wie das nächste Kapitel ausgeht. Dieses Kapitel handelt weniger von einem Ehepaar an der Schwelle des Alters als von der britischen Monarchie im 21.Jahrhundert.

Charles, der sein Leben damit verbringt, auf seine Aufgabe zu warten, muss sich den Respekt der Nation erst wieder erwerben. Von Liebe kann sowieso keine Rede sein.

Nötiger Wunsch

"Lang lebe unsere huldvolle Königin", singen die Briten in ihrer ebenso einfachen wie eingängigen Hymne, und selten war dieser Wunsch so nötig wie heute. Solange die Königin lebt, ist die Monarchie sicher.

Als Elizabeth vor fast 80 Jahren geboren wurde, war ihr eben nicht in die Wiege gelegt, dass sie Monarchin sein würde. Ihr Vater George VI. wurde gegen seinen Willen König. Das war die größte Krise, die die Monarchie im vergangenen Jahrhundert durchzustehen hatte.

Die Lage war ähnlich wie bei Charles, aber Edward VIII. musste noch abdanken. Er zog es vor, stolz ins Exil zu gehen, statt der Liebe zu einer geschiedenen Frau zu entsagen.

Sogar gestärkt

Jene Turbulenzen hatte die bald tausendjährige Monarchie überlebt; sie ging sogar gestärkt aus ihr hervor. Elizabeths Vater, ein schlichter Mann, und die Königinmutter wurden zu Hauptdarstellern des Kampfes gegen Hitler. Sie taten nichts Großartiges, sie waren einfach nur da.

Inzwischen ist die Monarchie geschwächt. Wenn sie überhaupt noch eine Stärke hat, dann ist es Elizabeth II. Ein Thronfolger wurde schon häufig Gegenstand öffentlichen Spotts - im vorvergangenen Jahrhundert etwa.

Aber immer hat sich das Königtum als resistent erwiesen. Denn eigentlich ist die konstitutionelle Monarchie eine großartige englische Erfindung. Der Mensch an der Spitze des Königreichs hat nichts zu entscheiden, hat keine Macht, ist nichts als ein Symbol.

Elizabeth hat in den fünf Jahrzehnten als Königin keinen falschen Schritt getan. Sie sah in ihrer Zeit so viele Premierminister kommen und gehen wie keiner ihrer Vorgänger.

Einheit der Nation

Alle haben sie respektiert, manche haben sie gemocht. Als sie gekrönt wurde und noch in den ersten Jahrzehnten ihrer Regentschaft stand die Monarchie für die Einheit der Nation. Die Arbeiterklasse identifizierte sich mit ihr genauso wie die Oberschicht. Heute ist die Monarchie vielen Briten zunehmend gleichgültig, und der Respekt gilt mehr der Königin als dem Königtum. Früher war das umgekehrt.

Dabei waren all die vermeintlichen oder tatsächlichen Skandale der jüngsten Zeit nicht einmalig. Frühere Könige oder Thronfolger haben Krisen fabriziert, mit denen verglichen die endlose Charles-Camilla-Saga einem Vorabendprogramm gleichkommt.

Heute aber ist die Schwäche der Borniertheit der Royals zuzuschreiben. Was vor einem Jahrhundert vor allem deshalb toleriert wurde, weil nur die Eingeweihten davon erfuhren, ist heute in allen Zeitungen zu lesen.

Viel Heuchelei

Da ist zwar viel Heuchelei im Spiel - Journalisten fordern gern Werte ein, die sie selbst zuallerletzt erfüllen. Und trotzdem sind es nicht die Chronisten, es sind die Windsors selber, die die Monarchie untergraben. Sie haben vergessen, dass ihre Mystik auch auf der Diskretion ihrer Protagonisten beruht.

Vor Charles hat nur Edward VII., ein Jahrhundert ist es her, so lange auf seine eigentliche Aufgabe warten müssen. Heute muss Charles nicht nur als Sohn hoffen, dass seine Mutter den Briten noch lange erhalten bleibt.

Wenn er Geschick zeigt in den nächsten Jahren und wenn Ihre Königliche Hoheit Camilla von den Briten angenommen wird, dann könnte sich die Monarchie konsolidieren - oder sie wird weiter unterhöhlt. Alle warten auf seine nächsten Fehler.

© SZ vom 09.04.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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