Klima-Erwärmung:Tendenz steigend

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Die eiskalten Märztage täuschen: Es wird immer wärmer in Europa. Ausgerechnet mitten in einem langen kalten Winter beweisen Schweizer Forscher, dass die kalte Jahreszeit in Europa in den letzten 25 Jahren wärmer war, als in den fünfhundert Jahren davor. Ursache: der Mensch.

Von Martin Läubli

Die Winter der letzten dreißig Jahre gehören dabei im Mittel zu den wärmsten. "Selbst wenn wir alle Datenunsicherheiten berücksichtigen, können wir das mit großer Sicherheit sagen", sagt der Berner Klimaforscher Jürg Luterbacher. Zusammen mit Kollegen der Universität Bern hat er eine 500-jährige Rekonstruktion der regionalen Klimaentwicklung in Europa erstellt ( Science, Bd. 303, S.1499, 2004).

(Foto: N/A)

Die Daten zeigen klar: Der Klimawandel hat bereits stattgefunden. Auch die europäischen Sommer von 1994 bis 2003 waren die heißesten der vergangenen 500 Jahre; der Jahrhundertsommer des vergangenen Jahres schlug dabei alle Rekorde. Seit 1978 zeigt die Temperaturkurve deutlich nach oben. "Der Erwärmungstrend der letzten gut 25 Jahre ist außergewöhnlich stark", sagt Luterbacher.

Riesige Fülle an Daten

Die große Herausforderung für die Wissenschaftler war es, die riesige Fülle an Daten aus unterschiedlichen Quellen qualitativ zu prüfen und statistisch vergleichbar zu machen: Bohrkerne aus Jahrtausende altem Eis in Grönland und Jahresringe Jahrhunderte alter Bäume aus Skandinavien und Sibirien lieferten natürliche Klimainformationen.

Zudem wird seit 1659 an verschiedenen Orten Europas die Lufttemperatur gemessen. Die frühesten Daten stammen aus Zentralengland, Paris und Berlin. Aus Zeiten, als es nur wenige Messinstrumente gab, verwendeten die Klimaforscher historische Klimaaufzeichnungen: Witterungsberichte, Blütezeiten unterschiedlicher Pflanzen, Beschreibungen über gefrorene Seen und über den Zeitpunkt der eingefahrenen Ernte.

Als Maß, wie sich das Klima in Europa in den letzten fünfhundert Jahren verändert hat, diente der langjährige Mittelwert der Messdaten von 1901 bis 1995.

Mit Hilfe eines statistischen Modells entwickelten die Forscher für die vorindustrielle Zeit von 1500 bis 1900 ein Bild von den so genannten Temperaturanomalien, also den Abweichungen vom Mittelwert der Jahre 1901 bis 1995. Damit können sie nun nicht nur eine zeitliche Auflösung der europäischen Klimageschichte vorlegen, sondern auch eine räumliche. "Wir können klimatische Schlüsselregionen ausmachen", sagt Jürg Luterbacher.

Klimadaten aus einem halben Jahrtausend

Hinweise auf diese Gegenden geben etwa die Klimadaten der kältesten Winter des vergangenen halben Jahrtausends. So war es beispielsweise im Vergleich mit anderen europäischen Regionen in Nord- und Osteuropa, in Westrussland und Skandinavien bitterkalt.

Dort stellen die Klimaforscher auch große Klimaschwankungen fest. Zudem konnten sie ein bekanntes Klimaphänomen bestätigen: Erstarrt Nordeuropa in der Kälte, herrscht in Grönland und Island ein relativ mildes Klima.

Der Grund: Während aus dem nordeuropäischen oder sibirischen Hochdruckgebiet kalte Luft aus Osten und Norden nach Europa strömt, setzen sich über dem Meer milde Luftmassen bis in den hohen Norden durch.

Solche Wetterkonstellationen sind vor allem dann zu beobachten, wenn zwischen dem Islandtief und dem Azorenhoch geringe Druckunterschiede vorherrschen. Die Wissenschaftler sprechen dann von negativer Nordatlantischer Oszillation (NAO). Bei einem positiven NAO hingegen herrschen große Druckunterschiede zwischen Island und den Azoren, Folge davon sind stärke Westwinde, die Atlantikluft nach Mitteleuropa bringen.

Nicht mit natürlichen Faktoren zu erklären

Jürg Luterbacher vermutet, dass die NAO einen Einfluss auf die Klimageschichte der Winter hatte. Die Forscher haben das Phänomen anhand des Maunder-Minimums untersucht, der Kälteperiode Ende des 17. Jahrhunderts bis anfangs 18. Jahrhundert, und festgestellt, dass neben der Wassertemperatur des Nordatlantiks und den warmen Luftmassen aus den Tropen vor allem die Sonnenaktivität einen großen Einfluss auf die Temperatur hat.

Im Maunder-Minimum, so zeigen Aufzeichnungen der Sonnenfleckenzahl, war die Sonne nur wenig aktiv. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts nahm die Aktivität wieder zu - mit Folgen für die Nordatlantische Oszillation. Die NAO-Werte werden zunehmend positiv.

Die Konsequenz: In der zweiten Hälfte der Kälteperiode wird es in Europa wärmer, von Südwesten nach Nordosten zunehmend. "Leider wissen wir nichts über Atlantiktemperaturen und Bedingungen in den Tropen damals, um die Hypothese zu prüfen", sagt Luterbacher.

Die Wintererwärmung der letzten 25 Jahre lässt sich allerdings nicht mit natürlichen Faktoren erklären, denn die Sonnenstrahlung hat sich kaum verändert. Dies heißt, der Mensch muss die Hand im Spiel haben. Dies zeigen auch neue Klimamodelle kanadischer Forscher. Welche physikalischen Prozesse letztlich die Klimaerwärmung dabei in Schwung bringen, darüber können nur Klimamodelle Auskunft geben. Die gesammelten Beobachtungen über die letzten 500 Jahre der Berner Klimaforscher können aber helfen, die Computersimulationen zu prüfen.

© SZ vom 5.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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