Kirche:Heiliger Rausch

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Kann das Blut Christi Sünde sein? In Ungarn fürchten Priester um ihre Fahrerlaubnis, weil die Polizei die Führerscheine von Alkoholsündern unbürokratisch einziehen kann.

Kathrin Lauer

Die katholische Geistlichkeit sieht die Eucharistiefeier durch neue Straßenverkehrsgesetze bedroht. Ungarische Polizisten dürfen jetzt nämlich den Führerschein von Alkoholsündern unbürokratischer als bisher einbehalten. Was aber, wenn der Erwischte ein Pfarrer ist, der gerade - wie schon seine Vorgänger seit 2000 Jahren - das Blut Christi in Gestalt von Wein getrunken hat?

Das Blut Christ wird zum Corpus Delicti. (Foto: Foto: dpa)

Dies gab jetzt Ungarns Katholische Bischofskonferenz in einem Schreiben an das Innenministerium in Budapest zu bedenken und bat um eine Ausnahmeregelung, zumal viele Pfarrer wegen Personalmangels eine erhöhte Alkoholzufuhr zu verkraften hätten. So mancher Seelsorger habe drei bis vier Messen pro Tag zu zelebrieren und könne die verstreuten Gemeinden nur per Auto erreichen. Ohne Wein aber gibt es keine gültige Messe.

Sogar das kommunistische Ungarn hatte anno 1974 dafür Verständnis. Damals wurden die Polizisten angewiesen, angetrunkene Pfarrer nicht zu behelligen. Noch hat Innenminister Albert Takacs den Brief der Bischöfe nicht beantwortet, doch dürfte er weniger liberal reagieren als die Gulaschkommunisten.

Denn der strengere Umgang mit Alkoholsündern hat tragische Gründe: Bei mehr als zehn Prozent aller Verkehrsunfälle in Ungarn ist Alkohol im Spiel, fast sieben Prozent von diesen gehen tödlich aus. Schon seit Jahrzehnten gilt in Ungarn die Null-Promille-Regelung, doch wurde sie bisher lax angewandt. Zum sofortigen Führerscheinentzug kam es nur, wenn der Erwischte nur noch lallen konnte. Jetzt ist der Schein schon weg, wenn sich der Alkomat nur schwach verfärbt.

Most statt Wein

Regierungsbeauftragter Ferenc Kondorosi, Initiator der Neuregelung, wiegelt ab: Wenn der Pfarrer bei der Messe nur wenig trinkt, würde der Alkomat sowieso nichts anzeigen. 100 Milliliter Wein - drei bis vier heilige Messen - können aber, je nach Körpergewicht, bis zu 0,2 Promille im Blut führen. Was tun? Die Richtlinien der Vatikanischen Glaubenskongregation helfen da nicht weiter.

In Dokumenten aus den Jahren 1994 und 2003, erlassen vom damaligen Kardinal Joseph Ratzinger, ist vom Umgang mit Messwein die Rede, für den Fall, dass ein Pfarrer keinen Alkohol verträgt. Er kann sich darauf beschränken, an dem Kelch nur einmal zu nippen. Oder er darf Most statt Wein trinken. All dies aber nur mit medizinischer Begründung. An Sicherheit im Straßenverkehr hat der heutige Papst nicht gedacht.

© SZ vom 28.01.2008/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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