Kino:Agent auf Abwegen

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In den Prager Barrandov-Studios haben die Dreharbeiten zum neuen James-Bond-Film begonnen - die Tschechen lässt das kalt.

Klaus Brill

James Bond? Juckt hier niemanden. "Wann wird hier wieder geöffnet?", fragt die junge Spanierin, die mit einem Dutzend Landsleuten auf dem Hof des Klosters Strahov vor dem schwarzen Tor mit den rostgoldenen Beschlägen steht. Ein Zettel hängt an der hohen Pforte, in Tschechisch und Englisch: "Sorry wegen der Schließung der Bibliothek." Ein klobiger Lkw steht daneben, mit britischem Kennzeichen und der Aufschrift "AFM Lighting".

Daniel Craig: der neue James-Bond-Darsteller (Foto: Foto: dpa)

Vier dicke Kabel gehen von ihm aus, ziehen sich übers schneevermatschte Pflaster und die weiße Wand des barocken Bibliotheksgebäudes hinauf in den ersten Stock, wo ein vergittertes Fenster sie aufnimmt. Genug gesehen. Wenn man noch die aufgestellten Hinweisschilder mit der Aufschrift "Stillking Set" bedenkt und weiß, dass die Firma Stillking eine tschechische Filmproduktionsgesellschaft und ein Set ein Drehort ist, dann ergibt sich daraus wintersonnenklar: Hier, im Kloster Strahov, auf dem schönsten Berg von Prag, wird in einer der schönsten Bibliotheken Europas ein Stückchen des neuen James-Bond-Films gedreht.

Casino Royale heißt der Streifen nach dem 1953 erschienenen ersten Bond-Roman des Engländers Ian Fleming. Der erschuf darin auf der Basis eigener Geheimdiensterfahrungen den Meister-Agenten 007, der so gern Martini schüttelt, Smoking trägt und flirtet. Das Buch wurde ein Bestseller, die Fortsetzungen ebenfalls, und deren Verfilmung die erfolgreichste Kinoserie der Welt.

Weltweiter Erfolg

Milliarden Dollars hat der Lebemann mit der "Lizenz zum Töten" in 50 Jahren eingespielt, wiewohl seine Abenteuer nach des Autors Auskunft "reine Hirngespinste" sind. Im Kalten Krieg war der Agent Ihrer Majestät als Kämpfer gegen KGB-Killer eine willkommene Leitfigur- für den heutigen Gebrauch hat man in Anbetracht gewandelter Bedrohungen seinen finsteren Gegenspieler in "Casino Royale" jetzt zum Financier von Terroristen und Selbstmordattentätern stilisiert.

Es ist nicht die einzige Besonderheit, die die seit einer Woche laufenden Dreharbeiten begleitet. Auch die Aktrice des Bond-Girls, das dem neuen Hauptdarsteller Daniel Craig die Gespielin geben soll, ist noch nicht gefunden. Und schon der Umstand, dass der allererste Bond-Roman erst jetzt, im 21. Bond-Film, an die Reihe kommt, hat seinen Reiz: Die Produktionsfirma Eon Productions konnte erst vor einiger Zeit die Rechte am Ur-Bond erwerben, zwei frühere Verfilmungen des Stoffs durch andere blieben indes belanglos.

Vor allem ist dies das erste Mal, dass ein Bond-Film nicht in den Londoner Pinewood Studios hergestellt wird, sondern außerhalb: in Prag, in den auf einem Felsen vor der Stadt befindlichen Barrandov-Studios und ihrem Ableger in Modrany. So kam es, dass vor einer Woche in Modrany in einer Stichstraße ein wenig mehr Verkehr als gewöhnlich herrschte und ein Stromgenerator tuckerte, weshalb zwei Anwohner gleich in der Lokalpresse lamentierten und der örtliche Bürgermeister die Gemüter besänftigen musste.

Dialoge im Klostersaal

Der Name Bond, James Bond, taugt offenkundig nicht, den notorisch skeptischen Pragern ein Glitzern in die Augen zu treiben. Man sieht es auch am Kloster Strahov, wo die Kulturtouristen aus dem Ausland ebenso wie die Anwohner ungerührt verfolgen, wie sich binnen eines Tages der Klosterhof und der nahgelegene Brandstätte-Platz peu à peu mit Wohn- und Lastwagen füllen.

Man ventiliert Heizluft in Zelte, schafft Mahlzeiten herbei, Wachmänner demonstrieren mit signalroten Nylonleibchen ihre hoheitlichen Befugnisse. Doch kann der Anblick des Trosses die blonde Serviererin in der Klosterschänke zum Heiligen Norbert nicht dazu bewegen, die Dreharbeiten interessant zu finden, wo ihr doch auch der Bond-Film, den sie mal gesehen hat, nicht sonderlich gefiel.

Mag sein, dass solches Desinteresse für die Filmproduzenten den Wert des Drehorts Prag nur noch erhöht. Hier muss man sich nicht irgendwelcher Prominentenjäger erwehren, hier sind Bond & Co nicht prominent, hier herrschte in den Hochzeiten Bonds der böse Feind. Ansonsten entscheiden über die Location wohl auch bei einem Filmbudget von über 100 Millionen Dollar vor allem die Kosten, sofern die Qualität und das Ambiente stimmen. Und die sind in Prag durchaus von besonderer Güte, hat hier doch die Filmkunst eine lange Tradition.

Vater und Onkel Havel als Architekten

Es waren der Vater und der Onkel des nachmaligen Staatspräsidenten Vaclav Havel, die 1931 die Gartenstadt Barrandov und die Studios erbauten und bis zum Nazi-Einmarsch 1938 führten. Auch die Nazis nutzten Barrandov, auch Hans Albers drehte hier, auch im Kommunismus galt die Spielstätte als hochprofessionell.

Nach 1989 kamen die Studios in den Besitz der mährischen Stahlfirma Moravia Steels. Erst jüngst setzte diese die Segel für eine nochmalige Erweiterung der Traumfabrik, die damit Europas größtes Filmstudio werden und dem vor Jahren schon erlangten Spitznamen "Hollywood East" auch unter den Bedingungen eines neuen Konkurrenzkampfs gerecht werden will. Prag ist billiger als Hollywood und London, doch inzwischen buhlen auch Filmfirmen in Ungarn, Bulgarien und Rumänien um die Gunst der großen Produzenten.

Barrandov macht indes noch immer manchen guten Stich: So drehte Roman Polanski hier seinen "Oliver Twist", Milos Forman war schon oft hier, und natürlich ist auch der James-Bond-Film "ein sehr prestigeträchtiges Projekt," wie Michaela Olexova sagt, die Sprecherin der mitproduzierenden Firma Stillking, die ebenfalls in Barrandov residiert.

Prag hat ja auch all seine Pracht anzubieten, zum Beispiel das weiße Kloster Strahov auf dem Berg, 1143 gegründet und bald danach mit Prämonstratensern besetzt, heute leben hier wieder rund 20 Kanoniker im schwarz-weißen Habit. Hauptattraktion ist die 1786 aus einem Speicher entstandene Bibliothek, Heimstatt kostbarster Wiegendrucke und Folianten - eine erstklassige Filmkulisse. Am Montag früh ist es soweit: S ie drehen, und zwar im Philosophischen Lesesaal.

Eine ältere Schauspielerin und acht Komparsen begeben sich an einen großen Tisch; eine Kulissenwand, tapeziert mit roter Tapete, wird hineingeschoben, Lampen, Kabel, Klappe, Dialoge, Schwenks, das ganze filmische Zeremoniell. Nach drei Stunden ist es im Kasten, James Bond war nicht dabei. Erika Neumannova, die Organisatorin der Fremdenführungen im Strahover Kloster, hat zusehen können - und ist überhaupt nicht beeindruckt. "Hier sind schon viele Filme gemacht worden", sagt sie.

Johnny Depp war vor ein paar Jahren ebenfalls in der Bibliothek, und Sean Connery hat hier unlängst für seine "League of extraordinary g en t lemen" gedreht. Der trug ja auch mal den Namen Bond. James Bond.

© SZ vom 15.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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