Kinderpornografie:Biedermann und Anstifter

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Hinter einer bürgerlichen Fassade handelte ein Brite weltweit mit Kinderpornos. Zu den Opfern gehörten selbst Babys.

Wolfgang Koydl

Aus Sicht seiner Nachbarn und Bekannten führte Timothy Cox ein stinknormales, ja vermutlich sogar ein eher langweiliges Leben. Der 28-Jährige mit dem blassen Teint und dem teigigen Gesicht arbeitete in der kleinen Brauerei seiner Eltern in der Grafschaft Suffolk in Ostengland, und er lebte noch zu Hause in dem ausladenden Bauernhof der Familie nahe dem Städtchen Buxhall.

Ohne Reue: Timothy Cox, Begründer eines Pädophilen-Chats. (Foto: Foto: AFP)

Seine Freizeit verbrachte Cox meistens stundenlang vor dem Computer in seinem Schlafzimmer - und weder seine Eltern noch seine Schwester noch seine Freundin wussten, was er dort machte. Doch hinter der unscheinbaren Fassade des Biedermannes betrieb Cox einen Internet-Chatroom, der einen weltweiten Ring von Pädophilen mit verabscheuungswürdigen Fotos und Videos grauenerregender Misshandlungen von Kindern belieferte: Auf seinem Computer waren knapp 76 000 Bilder und 316 Stunden Videoaufnahmen gespeichert.

"Wie Raubtiere"

In Zusammenarbeit mit Polizei- und Ermittlungsbehörden in 35 Ländern wurden unterdessen die Identitäten von mehr als 700 Usern festgestellt. Die Spuren von zwei mutmaßlichen Nutzern des Chatrooms führen nach Deutschland.

Die jüngsten Opfer der Website, die den zynischen Titel ,,Kids the light of our lives'' (Kinder, das Licht unseres Lebens) trug, waren 18 Monate alte Babys, die ältesten waren dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Die über die ganze Welt verstreuten User standen buchstäblich Schlange vor dem Chatroom, um live mit anzusehen, wie Kinder vergewaltigt oder gequält wurden.

,,Diese Raubtiere ... betrachteten nicht etwa nur alte Videos oder Fotos'', berichtete Jim Gamble, der Chefermittler der Kinderschutzorganisation ,,Child Exploitation and Online Protection Centre'' (CEOP). ,,Sie sahen zu, wie ein Kind in einen Raum gebracht und brutalst misshandelt wurde.'' Insgesamt 31 Kinder, davon allein 15 in Großbritannien, die regelmäßig missbraucht worden waren, konnten von der Polizei aufgespürt und in Sicherheit gebracht werden.

Die Polizei bereitete den Machenschaften von Cox schon im September 2006 ein Ende, als sie ihn verhaftete. Aber erst jetzt wurden Einzelheiten der sogenannten ,,Operation Chandler'' bekannt gegeben. Polizei-Experten nutzten die Zeit, um sich selbst als Nutzer der Website auszugeben und auf diese Weise die Identitäten anderer Täter zu ermitteln.

Unmittelbar nach Cox' Verhaftung stellten sie die Nachricht ins Netz, dass der Betreiber der Seite kurz zum Teetrinken gegangen sei. Dann steuerten sie den Chatroom die nächsten zehn Tage lang unter dem Namen von Cox. Die so entdeckten Hinweise teilten die britischen Ermittler Behörden in anderen Ländern mit.

Musiklehrer auf digitalem Mädchenfang

Von den 200 britischen Nutzern der Website wurden mittlerweile etwa hundert Personen festgenommen und zum Teil angeklagt oder verurteilt. Dabei handelte es sich in erster Linie um Lehrer oder um andere Vertrauenspersonen, die oft Kontakt zu Kindern haben. Der 60-jährige Musiklehrer Graham Conridge aus dem mittelenglischen Bedford beispielsweise gab sich im Chatroom als Halbwüchsiger aus und brachte Mädchen im frühen Teen-Alter dazu, sich vor Webcams auszuziehen und unzüchtige Handlungen an sich vorzunehmen.

Cox, der sich für schuldig bekannte, nach Auskunft von Polizeibeamten jedoch keine Reue zeigte, wurde am Montag zu einer Haftstrafe von unbestimmter Dauer verurteilt. Erst wenn sichergestellt sei, dass er keine Gefahr für die Gesellschaft mehr darstelle, könne er damit rechnen, wieder auf freien Fuß zu kommen, erläuterte Richter Peter Thompson in seiner Urteilsbegründung. Das klingt nach lebenslang, bedeutet konkret aber, dass Cox - unter Anrechnung der Untersuchungshaft - bereits in zwei Jahren zum ersten Mal einen Antrag auf eine Entlassung auf Bewährung stellen kann.

Für CEOP-Chef Gamble liegt der wichtigste Nutzen der Operation darin, dass sich Pädophile in der mutmaßlich anonymen Welt des Internet nicht mehr sicher fühlen können: ,,Für alle, die glauben, dass sie solch entsetzlichen Aktivitäten nachgehen können, ohne entdeckt zu werden, wird es ein böses Erwachen geben.''

© SZ vom 20.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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