Kinderporno:"Jeder Klick tötet eine Kinderseele"

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Bei groß angelegten internationalen Ermittlungen in 166 Ländern hat die Polizei 38 Internet-Kinderporno-Ringe zerschlagen. Allein in Deutschland wird gegen 530 Personen ermittelt.

Bei der bisher größten derartigen Polizei-Aktion unter dem Namen "Marcy" ermitteln die Behörden weltweit gegen 26.500 tatverdächtige Internet-User in 166 Staaten, darunter auch USA und Australien, von den Ermittlungen betroffen.

In Deutschland stehen 530 mutmaßliche Täter im Verdacht, kinderpornografisches Material zu besitzen oder verbreitet zu haben. Rund die Hälfte von ihnen hat den Angaben zufolge bereits Geständnisse abgelegt.

In dieser Woche wurden in sämtlichen Bundesländern insgesamt 502 Privatwohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Dabei wurden 745 Computer, mindestens 35.500 CDs, 8.300 Disketten sowie 5.800 Videos beschlagnahmt. An der Aktion waren bundesweit insgesamt 1.500 Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft beteiligt.

Weitere Verschärfung des Strafrechts gefordert

Das Justizministerium sprach von "teilweise hochgradig pädophilen Tätern", von denen ein großer Teil bereits einschlägig polizeibekannt sei. Betroffen seien alle gesellschaftlichen Schichten, auch zahlreiche Lehrer, Erzieher, Trainer in Sportvereinen und sogar ein Pfarrer, der in der Jugendarbeit tätig war.

Sachsen-Anhalts Justizminister Curt Becker lobte die Arbeit der Ermittlungsbehörden: "Damit wurde eines der größten international tätigen Netzwerke zerschlagen." Nach seinen Worten wird geprüft, ob die überführten wegen bandenmäßiger Verbreitung von Kinderpornografie angeklagt werden. In diesem Fall könnten sie zu Strafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren verurteilt werden.

"Jeder Fall von Kinderpornografie ist die Abbildung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes; jeder Klick tötet eine Kinderseele", sagte der Minister. Die bloße Verbreitung von Kinderpornografie wird mit drei Monaten bis fünf Jahren Haft geahndet.

Der CDU-Politiker Becker sprach sich für eine deutliche Verschärfung des Strafrahmens aus und kündigte Unterstützung für Initiativen auf Bundesebene an. Er beklagte, dass die Kinder immer jünger und die Sexualpraktiken immer gewalttätiger würden. Landesinnenminister Klaus Jeziorsky erklärte, der Markt der Kinderpornografie wachse: "Millionenbeträge werden umgesetzt und der erhoffte finanzielle Gewinn lässt die letzten Hemmschwellen fallen."

Anzeige aus Internetwirtschaft

Auslöser der seit einem Jahr andauernden Ermittlungen war eine Anzeige des Verbands der deutschen Internetwirtschaft von Mai 2002 gegen den aus Magdeburg stammenden Gründer eines geschlossenen kinderpornografischen Zirkels, Marcel K.

Im Juli 2002 durchsuchte die Polizei seine Wohnungen in Magdeburg und Schartau (Kreis Jerichower Land) und beschlagnahmte Rechneranlage und zahlreiche CD-ROM.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis wurde ein internationaler Provider verpflichtet, die vorhandenen Protokolldatensätze der Kinderpornozirkel zu sichern und zu übermitteln. Am 17. Oktober 2002 wurden durch den Provider 26.500 Bilddateien, 38.000 E-Mail-Adressen und 12 Giga-Bite Protokolldateien (14 Millionen Einträge) den Strafverfolgungsbehörden übergeben.

Nach Informationen einer Zeitung handelt es sich dabei um Microsoft. Das Unternehmen habe bereits Konsequenzen angekündigt und am Donnerstag die Schließung aller Chatbereiche beschlossen, hieß es. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt Peter Vogt sprach von einer "erschreckenden Dimension" und "unvorstellbaren Perversionen und Grausamkeiten", die die Ermittler auf den beschlagnahmten Bildern gefunden hätten.

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