Kindermorde in Darry:Als warmherzige Mutter bei Oliver Geissen

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Die psychisch kranke Frau, die vergangene Woche ihre fünf Söhne umgebracht haben soll, war 2002 in einer TV-Talkshow zu Gast. Damals wirkte sie noch völlig anders.

Es ist eine unglaubliche Nachricht: Die 31-jährige Mutter aus dem schleswig-holsteinischen Dorf Darry, die vergangene Woche ihre fünf Söhne im Zustand der Schuldunfähigkeit getötet haben soll, war einem Bericht der Hamburger Morgenpost zufolge noch 2002 geladener Gast in der RTL-Sendung "Oliver Geissen".

Blumen und Kerzen stehen vor dem Haus in Darry, in dem eine Frau ihre fünf Söhne tötete. (Foto: Foto: dpa)

Dort habe sie sich "als warmherzige Mutter und vorbildliche Ehefrau präsentiert". Im Hinblick auf ihren Mann soll die damals 26-Jährige gesagt haben: "Du bist für mich der absolute Traummann, der Held. Für mich und die Kinder."

Geständnis beim Psychiater

Derzeit befindet sich die Frau in einer psychiatrischen Klinik. Die Polizei sucht weiterhin nach einem Taxifahrer, der sie am vergangenen Mittwoch nach der Tat von Kiel zur Psychiatrie in Neustadt gefahren hatte. Dort hatte sie einem Arzt die Tat gestanden.

Nach dem fünffachen Mord der psychisch kranken Mutter an ihren Söhnen gibt es Forderungen nach einer unabhängigen Untersuchung der von Jugend- und Gesundheitsamt geleisteten Hilfen. "Ich habe Zweifel, ob die psychische Erkrankung und das Risikopotential für die Kinder ausreichend erkannt worden sind", sagte der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe Direkt, Georg Ehrmann.

Ein Untersuchungsausschuss oder ein unabhängiges Gremium sollten offenen Fragen klären. "Die Krankheit muss unterschätzt worden sein, wir haben fünf tote Kinder", so Ehrmann. Auch die Grünen im Kieler Landtag befürworteten eine Untersuchung, verwiesen aber auf die Zuständigkeit des Kreises Plön.

Der Kinderhilfe-Direkt-Vorsitzende kritisierte die Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Plön, Petra Ochel. "Wenn ich öffentlich sage, dass eine stationäre Einweisung der Mutter sinnvoll gewesen wäre, ist zu fragen, warum das nicht geschehen ist. Und es ist zu fragen, warum dies nicht zum Anlass für eine Prüfung genommen wurde, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt."

Religiöse Fantasien

Ochel hatte am Sonntag in der ARD-Sendung "Anne Will" darauf verwiesen, dass zu einer stationären Einweisung der Frau keine rechtliche Handhabe vorlag. Sie hatte der Familie am 16. August einen Besuch abgestattet, nachdem der Ehemann von religiösen Fantasien der Frau berichtet hatte.

Ehrmann bemängelte ein fehlendes Zusammenspiel von Jugend- und Gesundheitsamt. Die Behörden hatten die Familie seit August betreut. Wie Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) plädierte Ehrmann für eine stärkere Vernetzung der Behörden in solchen Fällen. Er forderte zudem eine Stärkung der Kinder- und Jugendhilfe. Die Frage von Pflichtuntersuchungen für Kinder sei dabei nur ein Randaspekt: "Viel wichtiger ist eine qualitativ und finanziell bessere Ausstattung."

Von der Leyen hatte sich bei "Anne Will" für eine intensivere Suche nach Risikofaktoren in den Familien ausgesprochen. Es müsse sehr viel früher als bisher nach psychischen Erkrankungen, schweren sozialen Problemen, Suchtproblemen und nach Gewaltanwendung bei Eltern in deren Kindheit gesucht werden, sagte von der Leyen.

Forderung nach Kinderrechten in der Verfassung

Wenn solche Risikofaktoren vorlägen, müsse ein "Netz der Hilfe" für diese Familien und Kinder aufgebaut werden. Zudem müssten die zuständigen Behörden "über schwierige Familien Konferenzen halten".

Der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner (SPD) sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung, in der Rechtsprechung müsse das Kindeswohl künftig Vorrang vor dem Erwachsenenwohl haben. Die Rechte von Kindern sollten im Grundgesetz verankert werden. Von der Leyen sagte, sie habe "hohe Sympathie" für die Festlegung von Kinderrechten in der Verfassung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte als Konsequenz aus den jüngsten Fällen angeregt, am 19. Dezember bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit den Regierungschefs über das Problem der Vernachlässigung von Kindern zu reden.

Am Montag erklärte der Kieler Oberstaatsanwalt Uwe Wick, dass die unter Tatverdacht stehende 31-jährige Mutter der toten Kinder Justin, Jonas, Ronan, Liam und Aidan einen Pflichtverteidiger bekommen habe.

© dpa/bavo/schä - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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