Kindergartengebühren:Luxus Kinderbetreuung

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Ein Anruf bei Christian Remelius, der mit zwei kleinen Kinder im nordrhein-westfälischen Much bei Siegburg wohnt. Die Vaterfreuden sind teuer, wie sich nun herausstellt.

Felix Berth

Christian Remelius, 40, hat zwei Kinder im Alter von fünf Jahren und 22 Monaten. Beide gehen in der nordrhein-westfälischen Gemeinde Much in den Kindergarten "Purzelbaum". Nun erhielt Remelius vom Rhein-Sieg-Kreis den neuen Gebührenbescheid.

Familie Remelius: Leidtragende einer irrwitzigen Situation. (Foto: Foto: oh)

SZ: Guten Tag Herr Remelius, haben Sie den Gebührenbescheid daliegen?

Remelius: Moment, ich lese Ihnen die wichtigste Passage vor: "Nach der Satzung des Rhein-Sieg-Kreises sind für ihre Kinder Laurin und Finia ab 1.10.2008 monatlich 909,34 Euro zu zahlen." Wenn man einen solchen Brief liest, fällt einem die Kinnlade runter. Für einen ganz normalen, staatlich geförderten Kindergarten sollen wir im Jahr mehr als 10.000 Euro zahlen. Das zweite Kind ist dabei übrigens "gratis" - das läuft hier unter Förderung der Geschwister. Was bedeutet, dass man bereits für ein Kind unter zwei Jahren solche unglaublichen Summen zahlen muss.

SZ: Dabei können Sie noch von Glück sagen: Sie sind ja nicht mal in der höchsten Stufe.

Remelius: Stimmt, es geht im Kreis Siegburg noch ein bisschen teurer: Wenn ein Paar mehr als 86.000 Euro jährlich verdient, kostet der Platz für ein Krippenkind 1085 Euro monatlich. Wir liegen ein Stück unterhalb dieser Grenze, deshalb sind wir in der zweithöchsten Gebührenklasse gelandet.

SZ: Wenn Sie nach Unterföhring bei München umziehen, sparen Sie sich viel Geld: Dort sind Krippen und Kindergärten kostenlos; die Gemeinde zahlt alles.

Remelius: Das Blöde ist nur, dass wir gerade ein Haus im Kreis Siegburg gekauft haben... Aber so was zeigt doch den Irrwitz in Deutschland: An einem Ort kostet ein Kita-Platz bis zu 10.000 Euro, am anderen nichts. Und selbst wenn wir ein paar Kilometer wegziehen würden, in den Landkreis Gummersbach, würden wir die Hälfte zahlen.

SZ: 900 Euro im Monat für die Kinderbetreuung - da kann einer von ihnen vermutlich fast den Beruf aufgeben und sich zu Hause um die Kinder kümmern.

Remelius: Das wollen wir nicht! Meine Frau hat einen interessanten Job als Architektin; ich fange demnächst eine neue Stelle als SAP-Berater an. Und wir glauben auch, dass der Kindergarten - mit dem wir übrigens höchst zufrieden sind - unseren Kindern guttut. Aber im Freundeskreis kennen wir das tatsächlich: Wenn der Mann gut verdient und die Frau einen Teilzeitjob hat, lohnt sich die Arbeit der Frau nicht mehr. Da überlegen einige, ob sie ihre Kinder aus der Kita abmelden. Grotesk!

SZ: Die neue Satzung gilt seit 1. Oktober. Was haben Sie vorher bezahlt?

Remelius: 270 Euro. Jetzt hat der Landkreis das Recht genutzt, das ihm die Landesregierung zugesteht: In Nordrhein-Westfalen darf neuerdings jeder Kreis verlangen, was er will. Die Kreise reagieren darauf unterschiedlich. Städte wie Köln heben die Gebühren nicht an. Denn wenn es dort so zuginge wie bei uns, wäre der Oberbürgermeister wohl nicht mehr lange im Amt. Aber bei uns hat der Kreis es einfach mal probiert - und der Protest formiert sich jetzt allmählich. Ich jedenfalls überlege, dagegen zu klagen.

© SZ vom 20.10.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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