Killerhund vor Gericht:Ein tierisches Verfahren

Lesezeit: 2 min

In Rumänien steht ein Hund vor Gericht, der einen japanischen Geschäftsmann durch einen Biss getötet haben soll.

Kathrin Lauer

Wie es in der Seele der mutmaßlichen Killerhündin Bosquito aussieht, glaubt derzeit ihre Rechtsanwältin Paula Iacob am besten zu wissen: "Es ist ein Weibchen mit sanftem Blick und sensiblem Herzen, das aussetzen könnte, wenn es zu einem ungerechten Urteil kommt", sagte die seit 50 Jahren aktive Juristin in ihrem Plädoyer vor Gericht.

Es geht um Bosquitos Leben. Die herrenlose Hundedame soll vor einem Monat mitten in Rumäniens Hauptstadt einen Japaner totgebissen haben. Ob wirklich sie der Killer war oder einer der vielen anderen Straßenköter in Bukarest - ja, ob Bosquito, falls schuldig, getötet werden muss, soll jetzt in einem Prozess geklärt werden, der in der Justizgeschichte seinesgleichen sucht.

Bosquito hat ausgezeichnete Chancen, denn Paula Iacob ist Rumäniens prominenteste Anwältin. Sie rettete unter anderen Nicu Ceausescu, den Sohn des 1989 gestürzten und hingerichteten Diktators Nicolae Ceausescu, vor dem Knast. Der Junior starb 1996 an Leberzirrhose.

Jetzt wurde Anwältin Iacob von zwei Tierschutzvereinen engagiert. Vor Gericht ging es zunächst darum, ob der Hund das Urteil in der Obhut eines privaten Vereins abwarten darf. Die Richterin entschied, dass Bosquito bis zur Klärung der Mordvorwürfe im städtischen Zwinger bleibt. Dagegen will Iacob nun Berufung einlegen.

In wenigen Minuten verblutet

Die Beißattacke trug sich an einem Abend vor einem Hochhaus in der Nähe des Regierungssitzes zu. Ein 68-jähriger japanischer Geschäftsmann stieg aus seinem Auto und wollte nach Hause gehen, als ein streunender Hund ihn ins Bein biss. Weil das Tier dabei die Schlagader in der Kniekehle durchtrennte, verblutete der Mann binnen weniger Minuten.

50.000 bis 200.000 Hunde leben in Bukarest auf der Straße. Es sind die Nachkommen der Hofhunde, die herrenlos wurden, als Ceausescu senior in den achtziger Jahren ein altes Villenviertel abreißen ließ. Sie lungern vor Wohnhäusern und Restaurants herum. Mitunter benutzen sie öffentliche Verkehrsmittel.

Viele Bukarester füttern die Streuner und geben ihnen Namen, doch übernehmen sie keine Verantwortung für sie. Bisweilen fallen die Hunde in wölfisches Verhalten zurück. Sie gruppieren sich in Rudeln, die ihre Reviere verteidigen. Die Stadt lässt immer wieder Massen von ihnen einfangen, doch ohne bleibenden Effekt. Denn viele eingefangene Tiere werden von Privatpersonen "adoptiert" und wieder ausgesetzt.

Die Hundefänger operieren nur im Morgengrauen, um Angriffen von Tierfreunden zu entgehen. Für 20 neue Hundefängerjobs, die nach dem Tod des Japaners geschaffen wurden, bewarben sich nur acht Kandidaten. Derweil fährt die Anwältin schwere Geschütze auf.

Sie verlangt, dass Gebissabdrücke ihrer Mandantin mit den Bissspuren am Opfer verglichen werden. Zudem könne es sein, dass der Japaner einen Herzinfarkt erlitten habe und dabei auf den Hund gefallen sei, der dann aus Angst zugebissen habe. Außerdem sollen Tierpsychologen Bosquitos Aggressivität begutachten.

© SZ vom 27.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: