Keulung aller Vögel droht:Dresdner Zoo bangt nach Vogelgrippe-Alarm

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Weil ein Schwarzer Schwan an dem Virus verendet ist, droht dem Tierpark jetzt die Keulung aller Vögel.

Christiane Kohl

Beim eigens eingerichteten Bürgertelefon der Stadt wird der Hörer nicht abgenommen. Auch sonst hat man in den Wohnvierteln rund um den Zoo, die soeben zum Sperrbezirk erklärt wurden, kaum den Eindruck, als ob Katastrophenstimmung herrsche: Zwar wurden Flugblätter verteilt und Seuchenschranken eingerichtet, Tierhalter wurden gebeten, ihre Katzen im Haus zu behalten und Hunde anzuleinen.

Doch auf den ersten Blick deutet nichts daraufhin, dass mitten in Dresden der erste Fall von Vogelgrippe in einem europäischen Zoo festgestellt wurde.

Da sind, nur ein paar Hundert Meter von den Freigehegen mit dem folgenreichen Fund entfernt, an diesem Freitagmorgen die Marktstände an der Lingner-Allee aufgebaut - wie an jedem Markttag bieten Landwirte aus dem Umland hier auch Eier und Geflügel feil.

Ein kleiner Schwarzer Schwan

Die Jogger kreisen durch Dresdens schönste Grünfläche, den Großen Garten, und selbst an der Kasse des Zoos, der an eben diesem Park gelegen ist, bilden sich zeitweise kurze Schlangen - Vogelgrippealarm mitten in Dresden, doch die Menschen lassen sich davon offenbar nicht schrecken.

Ein kleiner Schwarzer Schwan mit rotem Schnabel hatte den Alarm ausgelöst.

Zoobedienstete fanden das Tier am Montagabend tot in einem Teich. Der Kadaver wurde umgehend zur Untersuchung in das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Ostseeinsel Riems eingeschickt, Donnerstagabend kam das Ergebnis: Das Jungtier, das zur Gattung der Trauerschwäne gehört, war mit dem H5N1-Virus infiziert.

Sofort wurden die Eltern des Schwans, der etwa drei Monate alt war, unter Quarantäne gestellt - bei einem routinemäßigen Test Ende Juni waren sie noch als gesund gemeldet worden.

Sämtliche Vogelgehege im Zoo, Teichlandschaften und Volieren wurden sofort geschlossen, doch es könnte noch schlimmer kommen: Zoodirektor Karl-Heinz Ukena, 35, fürchtet, dass möglicherweise der gesamte Vogelbestand des Zoos getötet werden muss - "darüber wird die EU-Kommission entscheiden", sagt er.

Anlass zu dieser Sorge bot zunächst auch ein weiterer Vogelkadaver im Zoo, der einen Tag nach dem ersten Fund entdeckt worden war: Eine tote Ente, die in einem Gehege beheimatet war, dass weit weg liegt von dem Teichgelände mit dem toten Schwan.

Auch die Ente wurde zur Untersuchung nach Riems geschickt, bis Montag steht das Ergebnis fest. "Händeringend", wartet Ukena auf eine Nachricht von dort. Wenn die Ente ebenfalls H5N1-belastet ist, werde man um eine "Keulung des gesamten Vogelbestandes" wohl nicht herumkommen, fürchtet Ukena.

"Supergau für uns"

Einen Hoffnungsschimmer gibt es jedoch: Das Bundesagrarministerium gab am Freitag bekannt, dass die Reiherente "aller Wahrscheinlichkeit nach" nicht an Vogelgrippe verendet ist.

Die Keulung wäre "der Supergau für uns", sagt der Zoochef. Insgesamt etwa 600 Vögel beherbergt der Dresdner Zoo, 40 Arten sind vertreten, darunter solche "die es gar nicht mehr in freier Wildbahn gibt", wie Ukena berichtet. Seit die Vogelgrippe erstmals Schlagzeilen machte in Deutschland haben die Zoodirektoren eine Art Gesprächskreis untereinander gebildet.

Dabei sei allen klar gewesen, dass das Virus irgendwann einen Zoo erreichen werde, erzählt der Dresdner Zoodirektor und fügt hinzu: "Dass ausgerechnet wir das sind, ist ein Drama, mit dem wir jetzt fertig werden müssen".

Immerhin: Die Zusammenarbeit mit den Behörden sei ausgezeichnet, im Zoo seien die Probleme beherrschbar. Wäre das Virus bei einem Wildtier in dem an den Zoo angrenzenden Großen Garten aufgetaucht, wäre die Situation schwieriger, glaubt Ukena.

Doch schon jetzt gibt es regen Austausch mit den Wildtieren aus dem Park - eine der Enten von dort könnte denn auch das Virus in das Teichgelände des Zoos eingeschleppt haben. Es sei praktisch unmöglich, Wildtiere von dem Zoogehege fern zu halten, so Ukena.

Im vergangenen Frühjahr war, ebenfalls in Sachsen, erstmals ein Fall von Vogelgrippe in einem Geflügelstall aufgetreten. Danach war es zunächst wieder ruhiger geworden um die Geflügelpest. Mittlerweile aber hat die Seuche schon Auswirkungen auf den Putenpreis - er ist bereits um drei Prozent gestiegen.

© SZ vom 5.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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