Kester the Jester:"Ich will die Queen zum Lächeln bringen"

Lesezeit: 3 min

England hat nach 355 Jahren wieder einen Hofnarren - Voraussetzung für "Kester the Jester" war ein Kostüm mit Glöckchen.

Interview: Claudia Fromme

Der letzte Hofnarr wurde fortgejagt: Als König Charles I. von England 1649 geköpft wurde, wollte das neue republikanische Staatsoberhaupt Oliver Cromwell auch seinen Spaßmacher Muckle John nicht mehr sehen.

"Hofnarr gesucht. Muss witzig und fröhlich sein. Eigenes Kostüm (mit Glöckchen) Voraussetzung." (Foto: Foto: Reuters)

Nie wieder sollte es einen König oder Narren geben, ordnete er an. Ohne Erfolg: Bereits 1661 wurde Charles II. gekrönt. Der Narr ließ auf sich warten - ganze 355 Jahre.

Im Sommer annoncierte die staatliche Kultureinrichtung British Heritage in der Times: "Hofnarr gesucht. Muss witzig und fröhlich sein. Eigenes Kostüm (mit Glöckchen) Voraussetzung."

Nigel Roder, 37, aus Milton Keynes jonglierte als "Kester the Jester" vor einer Jury, überzeugte und darf sich nun als Einziger im Land "England's State Jester" nennen.

SZ: Respekt, Herr Roder. Sie sind also der erste nationale Hofnarr seit 1649.

Roder: Ich fühle mich wirklich geehrt. Ganz offiziell den Irren zu mimen und dafür noch Geld zu bekommen, wünscht sich wohl jeder.

SZ: Die britische Jesters Guild, deren Mitglieder als Spaßmacher vor allem für Kommunen und regionale Kulturträger arbeiten, ist nicht erfreut über Ihre Wahl. Sie sind ja nicht einmal in dem Verein!

Roder: Das ist der Grund, warum ich da nicht mitmache. Die nehmen alles immer so unglaublich ernst. Vor allem Jonathan the Jester, der Stadtnarr von Salisbury und Chef der Gilde. Der hat sich unglaublich aufgeregt. Er fand, dass die Auswahl nicht korrekt gelaufen ist.

SZ: Warum?

Roder: Allein schon die Annonce empfand er als Affront. English Heritage hätte direkt bei ihm vorsprechen sollen, findet er. Und dann war der Bewerbungstermin auf dem Acker in Warwickshire ja schon drei Tage, nachdem die Anzeige erschienen war. Viel zu wenige Zunftnarren hätten es in der kurzen Zeit dahin geschafft, schimpfte Jonathan jedem ins Mikro - selbst russischen Fernsehteams. Ich finde: Wer den Job haben will, muss Einsatz zeigen. Ich war da, ich habe den Job.

SZ: Wie viele andere Spaßmacher haben denn außer Ihnen noch vorgespielt?

Roder: Sechs.

SZ: Aha. Und wie haben Sie sich zum nationalen Narren qualifiziert?

Roder: Ich bin da in meinem Schellenkostüm hingegangen, habe jongliert und dabei Witze erzählt - mehr nicht. Der Jury hat es wohl gefallen, jedenfalls hat sie mich nicht sofort mit ihrem Horn ausgetutet, sondern erst nach zwei Minuten.

SZ: Welch Narretei haben Ihre Kollegen denn dargeboten?

Roder: Da war etwa eine Französin, die erst "Vive la Reine" rief, dann witzelte, dass die Briten keinen Humor haben und danach ein Gedicht vortrug. Kein Erfolgsrezept, denke ich. Und da war der Kollege, dem die Jonglierbälle heruntergefallen sind und der dann gebrüllt hat: "Diese Bälle sind Massenvernichtungswaffen!" Nach wenigen Sekunden hat es getutet. Der Mann war irre. Ganz ehrlich: So stark war die Konkurrenz nicht.

SZ: Und dann hat Sie die Königin standesgemäß zum National Estate Jester geschlagen.

Roder: Nein, leider nicht. Elizabeth II. ist nicht meine Chefin. Sie beschäftigt kein ständiges Personal für Kurzweil - obwohl sie einen festen Narren bräuchte, so verkniffen, wie sie oft guckt. Mich bezahlt der Staat. Aber ich trete auf vielen Festen an historischen Stätten im Land auf. Zuweilen ist die Queen zugegen. Da werde ich sie bestimmt mal wenigstens zum Lächeln bringen.

SZ: Es hat auch Vorteile, wenn Sie ihr nichts ins Ohr flüstern müssen. Einige Ihrer Vorgänger wurden geköpft, weil sie den König nicht amüsieren konnten.

Roder: Die hatten keinen leichten Job.

SZ: Und er war politischer als Ihrer. Sie haben weniger mit Bällen jongliert als mit Worten. Sie waren für Sprachwitz und messerscharfe Analysen berühmt.

Roder: In 355 Jahren hat sich vieles geändert, auch der Job des Hofnarren. Ich bin eher Entertainer als Satiriker. Ich jongliere, laufe auf Stelzen, schwinge das Diabolo - auch in meinem eigentlichen Beruf als Kleinkünstler. Meine Vorgänger hatten ein politisches Amt: Sie waren die Einzigen, die dem König sagten, was seine Untertanen wirklich von ihm hielten. Aber mal ehrlich: Soll ich zu Tony Blair gehen und in feinen Reimen sagen: Die Leute finden deine Irakpolitik ziemlichen Mist. Der hört ja nicht mal auf seine Frau.

SZ: Dabei haben Narren ihren Herren in Kriegen sogar zum Sieg verholfen.

Roder: Das stimmt. In der Schlacht von Hastings 1066 standen die Angelsachsen hinter ihrem Schilderwall und rührten sich nicht. Dann, so besagt es die Legende, trat der Hofnarr des Normannen Wilhelm I., Taillefer, nach vorn, und jonglierte so lange mit seinem Schwert herum, bis einer der Engländer vor Wut den Wall verließ und ihn tötete. Der Wall hatte eine Lücke, die Normannen nutzten das und gewannen die Schlacht. Der Narr war der Held von Hastings.

SZ: Der berühmteste Hofnarr ist also ein Franzose.

Roder: Wenn ich es mir recht überlege: Die Französin mit den Gedichten hätte eine zweite Chance bekommen sollen.

© SZ vom 2.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: