Katastrophen-Hurrikan:"Katrina" erreicht US-Küste

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Mit schweren Sturmböen ist der Hurrikan "Katrina" am Montag auf die Insel Grand Isle vor der US-Küste geprallt. Die Windgeschwindigkeiten erreichten 183 Kilometer in der Stunde.

Über das rund 100 Kilometer entfernte New Orleans fegten erste Sturmausläufer mit Geschwindigkeiten von rund 140 Kilometern pro Stunde.

Starke Winde und Regen am Montag rund um den Louisiana Superdome in New Orleans. (Foto: Foto: AP)

Am frühen Nachmittag wurde dort mit der vollen Wucht des Hurrikans gerechnet. Experten befürchten, dass es Tote und Verletzte sowie unvorstellbare Schäden geben könnte.

Wenige Stunden vor der Ankunft des Hurrikans kamen drei ältere Menschen bei ihrer Evakuierung ums Leben.

Drei Insassen eines Altenheims starben bei ihrer Evakuierung von New Orleans nach Baton Rouge, wie die Polizei am Montag mitteilte. Die Todesursache sei wahrscheinlich Flüssigkeitsmangel, hieß es. Das Trio sei per Bus nach Baton Rouge evakuiert worden, wo sie in einer Kirche untergebracht werden sollten.

"Direkte" und "Indirekte Opfer"

Die drei Toten gelten laut Polizei als so genannte "indirekte" Opfer des Wirbelsturms. Von "direkten" Opfern sprechen die Behörden dagegen, wenn Menschen durch herabfallende Bäume und Stromleitungen oder durch Überschwemmungen und Sturmfluten sterben.

Zwar wurde der Sturm am Morgen auf die Kategorie 4 zurückgestuft, nachdem eine Geschwindigkeit von 240 Stundenkilometern gemessen wurde. Doch die Behörden fürchteten weiter, dass "Katrina" wieder auf die Höchststufe 5 beschleunigen könnte. Die Meteorologen schlossen nicht aus, dass der Wirbelsturm über dem Golf von Mexiko erneut an Stärke gewinnen könne.

Der Hurrikan trieb den US-Ölpreis erstmals über 70 US-Dollar. Ein Barrel (159 Liter) leichtes US-Öl der Sorte WTI kostete im asiatischen Handel am Montagmorgen in der Spitze 70,80 Dollar. Damit wurde die erst am vergangenen Donnerstag erreichte Rekordmarke von 68,00 Dollar deutlich übertroffen.

Die Ölproduktion im Golf von Mexiko ging wegen des Wirbelsturms um rund eine Million Barrel pro Tag zurück. Zahlreiche Ölplattformen waren wegen des Hurrikans evakuiert worden.

Der Benzinpreis könnte weiter steigen

Schwerwiegender als der Rückgang der Fördermenge ist nach Einschätzung von Experten allerdings, dass der Hurrikan auch Raffinerien in der Region stilllegen könnte. Dies würde die Benzinpreise deutlich erhöhen.

"Der Markt dürfte weiter Kapriolen schlagen", sagte Chefstratege Tetsu Emori von Mitsui Bussan Futures. Am Markt steht angesichts der möglichen Zerstörungen durch den Hurrikan die Versorgungslage in den USA mit Benzin und Rohöl im Blick.

Aus Angst vor dem Hurrikan sind hunderttausende Menschen aus der Stadt New Orleans und den benachbarten Küstenregionen im US-Bundesstaat Louisiana geflohen. Auf den Ausfallstraßen bildeten sich am Sonntagabend kilometerlange Staus. Die Behörden hatten die Zwangsevakuierung der 485.000-Einwohner-Stadt angeordnet.

Die Ausläufer des Wirbelsturms rasen auf die Südküste Floridas zu. (Foto: Darstellung: AP)

Zwischen 22.000 und 25.000 Menschen sollen sich aber noch in der Stadt aufhalten. An Touristen appellierten die Behörden, sich in obere Etagen der Hotels zu retten und von den Fenstern fernzubleiben.

"Der Hurrikan ist so gefährlich, dass es nicht ohne Todesopfer abgehen wird", warnte Michael Brown vom Nationalen Katastrophenschutz.

Bush verhängt Notstand

"Wir stehen dem Sturm gegenüber, den wir am meisten gefürchtet haben", sagte der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin. US-Präsident George W. Bush verhängte den Notstand. "Ich will keine Panik machen", sagte Nagin. Aber die Einwohner von New Orleans müssten begreifen, dass die Lage "sehr ernst" ist.

Allein das Personal der Rettungskräfte sollte in der Stadt bleiben. Diejenigen, die nicht in der Lage waren, die Stadt zu verlassen, sollten sich in Notaufnahmen begeben. Bush rief von seiner Ranch im texanischen Crawford die Einwohner der bedrohten Regionen am Golf von Mexiko auf, "sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen".

Die Gefährlichkeit des Hurrikans könne nicht deutlich genug betont werden. "Wir müssen sehr beten, dass die Kraft des Hurrikans nachlässt", sagte die Gouverneurin von Louisiana, Katlheen Blanco.

Zuflucht im Sportstadion

Im Sportstadion Superdome in New Orleans, das als Notlager eingerichtet wurde, suchten rund 30.000 Menschen Zuflucht. Hunderte warteten vor den von Soldaten kontrollierten Eingängen der Arena mit ihren 60.000 Plätzen. In New Orleans und Umgebung leben rund 1,3 Millionen Menschen.

Die Stadt gilt als besonders gefährdet, weil sie zu weiten Teilen unter dem Meeresspiegel liegt. Der Leiter des National Hurricane Center, Max Mayfield, sagte dem TV-Sender CNN, dass die größte Gefahr nicht von Wind und Regen ausgehe, sondern von Überschwemmungen.

Fachleute fürchten daher, dass eine Monsterwelle über die Stadt schwappt. Die Altstadt könnte vier bis fünf Meter unter Wasser gesetzt werden, wie es heißt.

Zugleich droht eine "Giftsuppe" aus Abwässern und Industriechemikalien. Nach Medienberichten gibt es keine Mietwagen und Flüge mehr. Auch der internationale Flughafen "Louis Armstrong" wurde geschlossen.

Zuvor hatten noch viele Menschen ängstlich auf Flüge gewartet, die sie in Sicherheit bringen sollten. "Ich bin froh, hier raus zu kommen", sagte die 31-jährige Tracy Robertson. Wahrscheinlich werde es Opfer geben, weil die Behörden nicht ausreichend gewarnt hätten.

Zwei Mal hochgestuft

Aufgrund steter Messungen war der Hurrikan am Sonntag binnen weniger Stunden zweimal hochgestuft worden. Am Sonntag galt "Katrina" noch als Kategorie-5-Sturm, nachdem im Auge des Hurrikan Windgeschwindigkeiten von bis zu 257 Stundenkilometer gemessen wurden.

Wirbelstürme dieser Kategorie können Dächer von Wohnhäusern und Industriegebäuden abdecken und kleinere Häuser einfach umblasen. Die von ihnen ausgelösten Überschwemmungen richten in der Regel schwere Schäden an allen Einrichtungen an, die etwa auf Höhe des Meeresspiegels liegen.

Anders als zunächst befürchtet, blieb Miami, der Veranstaltungsort der diesjährigen MTV-Awards, von dem Wirbelsturm am Sonntag verschont. Der Hurrikan zog von Süd-Florida Richtung New Orleans ab. Die meisten Parties und Konzerte im Vorfeld der Preisverleihung mussten wegen des Sturms aber abgesagt werden.

Verwüstungen auf Kuba

Vor Kuba erreichte der Hurrikan sogar Spitzengeschwindigkeiten von 282 Stundenkilometern. Auf der Karibikinsel wurden rund 8000 Menschen evakuiert. Die Küstenstadt Surgidero de Batabano südlich von Havanna nach einem Bericht des kubanischen Fernsehens fast vollständig unter Wasser.

Im Westen Kubas fiel die Stromversorgung weiträumig aus, die Telefonverbindungen waren tot. Die Behörden warnten vor hohen Wellen und starken Böen.

Beim Durchzug durch den Südosten Floridas in der Nacht zum Freitag hatte der Sturm unerwartet große Zerstörungskraft entwickelt.

Trotz seiner zunächst noch geringen Stärke der Kategorie 1 entwurzelte er Bäume, deckte Dächer ab und sorgte mit heftigen Regenfällen für Überflutungen. Sieben Menschen starben. Abgerissene oberirdische Stromleitungen sorgten für weitflächige Stromausfälle, rund 1,5 Millionen Haushalte saßen im Dunkeln.

"Katrina" ist bereits der sechste schwere Sturm, der in diesem Jahr über Florida hinwegfegte.

© sueddeutsche.de/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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