Karol Wojtyla:Das Leben und das Beten

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In dieser Woche erscheinen die Memoiren des Papstes

Von Christiane Kohl

Rom, 17. Mai - In einem Paddelboot machte sich Karol Wojtyla auf den Weg. Dann nahm ein Mehl-Laster den jungen Priester mit, er übernachtete mit seinem Schlafsack in einer Bahnhofstation und machte dabei kein Auge zu, bis endlich der Zug nach Krakau kam: So kompliziert gestaltete sich im Sommer 1958 die Anreise, als Wojtyla zum damaligen polnischen Kardinal Primas Stefan Wyscinski gerufen wurde.

Anderntags teilte der Kardinal dem sportlichen Geistlichen mit, der Papst habe ihn als neuen Weihbischof von Krakau ausersehen. "Eminenz, ich bin zu jung, kaum 38 Jahre alt", meinte Wojtyla zunächst etwas abwehrend.

Wyscinski antwortete gelassen: "Das ist ein Fehler, den Sie bald überwinden werden." Daraufhin bat der Kardinal den jungen Priester, die Ernennung anzunehmen, Wojtyla akzeptierte, und man ging zum Essen - dann aber wollte er möglichst schnell wieder zu seinem Paddelboot zurück.

Monate später, am 28. September 1958, wurde in der Kathedrale der Wawel-Burg in Krakau die Bischofsweihe zelebriert, und Wojtyla war tief bewegt. "Der Herr beginnt jetzt sein Werk in dir", sprach er sich insgeheim Mut zu. "Keine Angst, vertraue ihm deinen Weg an."

Es war der Anfang einer außergewöhnlichen Karriere, in deren Verlauf der Pole vom Weihbischof in Krakau über die Kardinalswürde bis hin zum Bischof von Rom aufstieg.

Johannes Paul II. erzählt von alledem im zweiten Teil seiner Memoiren, die diese Woche in den Buchhandel kommen. Mit einer internationalen Startauflage von mehr als einer Million Exemplaren erscheint das Buch zum 84. Geburtstag des Pontifex in Deutschland, Italien, Polen, Spanien und vielen anderen Ländern gleichzeitig. Der Titel der deutschen Ausgabe lautet: "Auf, lasst uns gehen!"

Das Motto hat Johannes Paul einer Begebenheit aus der Bibel entlehnt, als Jesus kurz vor seinem Tod im Garten von Gethsemane zu seinen Lieblingsjüngern sprach. Die Aufforderung, so meint der Papst, sei heute insbesondere "an uns Bischöfe gerichtet" - an Jesus' "auserwählte Freunde".

Und so beschäftigt sich sein Buch auch vor allem mit den Aufgaben des kirchlichen Hirtenamtes. "Ich bete unaufhörlich, der Heilige Geist möge mit seinem Feuer die Herzen von uns Bischöfen entzünden, so dass wir Lehrmeister der Heiligkeit werden", schreibt der Papst und zitiert ein anderes Christuswort an die Apostel: "Geht zu den Völkern und lehrt sie."

Erstmals "ein Proletarier"

In Krakau hatte Wojtyla zunächst in einer kleinen Wohnung in der Kanonicza-Gasse gewohnt. Die Möblierung war schlicht, außer seinen Büchern brauchte der junge Geistliche nicht viel. 1964 wurde Wojtyla zum Erzbischof ernannt. Nachdem das Amt in Krakau stets Aristokraten inne gehabt hatten, sei es eine Überraschung gewesen, meint Wojtyla, dass mit ihm erstmals "ein Proletarier" ernannt wurde.

Mittlerweile war er in den Bischofspalast in der Franciszkanska-Straße umgezogen, und alsbald pulsierte dort das Leben. "Im Haus war die Tür für alle offen", schreibt Wojtyla. Es gab Lesungen im Wohnzimmer; Redakteure, Wissenschaftler, Mediziner und Künstler besuchten den kontaktfreudigen Gottesmann - "manchmal kamen sie heimlich herein, denn es waren die Zeiten der kommunistischen Diktatur".

Erzbischof Karol Wojtyla ließ sich von den Machthabern nicht einschüchtern. Im Krakauer Arbeiterviertel Nowa Huta, einer aus dem Boden gestampften Satellitenstadt, kämpfte er für den Bau einer Kirche. Er hielt Mitternachtsmessen unter freiem Himmel ab und verhandelte zugleich mit einem recht unnachgiebig wirkenden Repräsentanten der Provinzverwaltung - "am Ende wurde die Schlacht gewonnen", erinnert sich der Papst in seinen Memoiren.

Auch für die theologische Wissenschaft setzte sich der Erzbischof ein, deren Fakultäten von den Kommunisten mehr und mehr eingeschränkt wurden. Eine besondere Herausforderung aber war für den jungen Geistlichen die Begegnung mit den Kranken.

Es habe ihn "einigen Mut" gekostet, einem leidenden Menschen gegenüber zu treten und sich "ohne in Verlegenheit zu geraten" in "seinen körperlichen oder seelischen Schmerz einzufühlen", erinnert sich der Papst. Erst viel später habe er begriffen, dass in der Schwäche des Kranken die Kraft der Barmherzigkeit hervortrete - eine Botschaft, die der Papst mittlerweile auch in eigener Person zeigt.

© SZ vom 18.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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