Karl Lagerfeld (65/70?):Meat Loaf für Reiche

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Der Modeschöpfer Karl Lagerfeld wird 65, vielleicht aber auch schon 70 Jahre alt - wer weiß das schon bei einem Mann, der sich und seinen Körperumfang immer wieder neu erfindet.

Gerd Kröncke

Was für eine Silhouette für einen Mann seines Alters. Gerade noch am Wochenanfang haben wir Karl Lagerfeld in einer etwas polternden Vorabendsendung des französischen Fernsehens mustern können. Schlank wie ein junges Reh. Dazu sein hochangesetzter Hemdkragen, der Falten am Hals verdeckt. Karl Lagerfeld ist von unverstellter Eitelkeit, über die man sich wohl mokieren kann, aber er gehört zu jenen, denen man manches nachsieht. Außerdem ließe es ihn kalt. "Es ist mir vollkommen egal, was die Leute denken", hat er gesagt, als jetzt wieder über sein Alter spekuliert wurde.

Schätzen Sie: wieviele Jahre liegen zwischen beiden Fotos?Das linke stammt vom 12 Mai 2000, das rechte vom 7. März 2003. (Foto: Foto: AP/dpa)

Kürzlich war er noch dieser wohlbeleibte Herr, der mit dem Fächer wedelnd und mit der schwebenden Grazie eines dicken Menschen seine Modelle umtänzelte. Sie sind knabenhafte Mädchen, die seine Enkelinnen sein könnten, aber Karl Lagerfeld wird keine Enkel haben, weil einer wie er keine Kinder hat. Er liebt Frauen auf seine Weise, ist der Übriggebliebene, der nach all den Jahrzehnten noch immer wunderbare Kleider entwirft, die Frauen anziehend machen.

Ein gebürtiger Hamburger, den die Franzosen als einen der Ihren adoptiert haben, obwohl ihm oft Unfreundliches zu Frankreich einfällt, und den sie in die Folge Dior-Yves-Saint-Laurent einreihen. Sein teutonischer Akzent hat nichts Angestrengtes, selbst Zynismen kommen ihm leicht über die Lippen. Anerkennung, Liebe fast, verdankt er seiner Weigerung, die Aufgeregtheiten nachfolgender Modemenschen mitzumachen, die nur sich selbst meinen, wenn sie Frauen zumuten, sich schrille Fummel überzustreifen. Jenseits des Laufstegs sind sie nur noch komisch.

Mit 30, sagt Lagerfeld, habe er sich uralt gefühlt. Da hatte er wichtige Erfolge schon hinter sich, mit 16, jedenfalls ziemlich jung, gewann er einen Mode-Preis in Paris. Aber Karl der Große wurde er nicht auf einen Schlag. Le grand Karl wurde er, ohne dass jemand die Kreation bemerkt hätte. "Den letzten Dandy von Paris" nannte ihn das Magazin L'Express, einen, der den Anschein des genialen Müßiggängers pflegt und Leichtigkeit zum Prinzip erhoben hat. Der Preis war harte, lebenslange Arbeit.

Andererseits erinnert Lagerfelds Dasein an die Figur des Dorian Gray, die in einem anderen Jahrhundert der irische Dichter Oscar Wilde, der vorletzte Dandy, schuf. Lagerfeld inszeniert sein Leben als Kunstwerk. Er hat sich stets neu geschaffen. Vor einigen Jahren hat er sich von seiner Möbel- und Kunstsammlung getrennt, denn: "Das Gefährliche am französischen 18.Jahrhundert ist, dass es einen alt machen kann, man endet schnarchend in einem Louis-XV-Sessel." Der Mann, dem das Alter so egal ist, hat Angst davor, alt zu werden, wie Dorian Gray hält er sich für ewig schön. Ob er in seiner Egomanie zu Freundschaft fähig ist, müssen seine Freunde beurteilen. Mit der Brachialkur, mit der er sich um 40 auf 60 Kilo verschlankte, suchte er wieder ein neues Lebensgefühl und Tempo. "Das Leben ist anders, die Umstände sind anders, die Leute sind anders", sagt er im Interview, und dann zuckt man doch zusammen: "Ich habe mich auch solcher Freunde entledigt, die den Rhythmus nicht mithielten."

Er hat viel vor sich, "meine beste und einflussreichste Kollektion liegt noch vor mir". Wie alt ist er denn nun? Ob er am Mittwoch 65 wird oder 70, wie Bild am Sonntag herausfand, bleibt unerheblich: "Wenn ich wirklich 70 wäre, wäre es noch toller, ein wirkliches Phänomen." Das Lagerfeldsche Phänomen, sein Genie, ist Fleiß. Für das, was der dünne Mann von der Seine gemacht hat, reichten 65 Jahre ohnehin nicht aus.

© SZ v. 10.09.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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